Weasels: Donnereiche (Weasels 1) (German Edition)
hört man nur das Rascheln von Nattern, die durchs Schilf schwimmen, das Raunen von Fröschen und Vögeln und – noch tiefer im Inneren – das scharfe Zischen von Flaggatis’ Ratten in ihrem Rattenlager.
Es war keine Zeit zum Schlafen, auch wenn sie tapfer genug gewesen wären, sich auf den feuchten, von Binsen bedeckten Inseln zwischen den Schlangen niederzulassen. Sie mussten ihren Weg durch die Marschen fortsetzen und diese auf der anderen Seite verlassen haben, bevor die Morgendämmerung anbrach. Sylber ging voraus auf Pfaden, die im Mondlicht schwach zu erkennen waren.
Ab und zu mussten sie einzeln hintereinander zwischen den Rattenlagern hindurchschleichen, wo sonderbare Zeremonien im Gange waren. Dunkle Gestalten mit langen Schwänzen und funkelnden Augen drängten sich unter Schilfhütten zusammen, wo Stücke verfaulenden Fleisches an langen Schnüren hingen. Der Geruch des Fleisches erfüllte die Mulden der Marschen. Feuer waren sichtbar, auf denen anscheinend Dinge verbrannt wurden. Es war nicht möglich zu erkennen, was diese Dinge waren, aber sie gaben Quieklaute von sich.
Einige der Ratten wuselten um die Feuer herum, wobei sie gelegentlich Schreie ausstießen, die nach Wahnsinn klangen, aber ob diese von Freude oder Angst, Hass oder Eifersucht, Schmerz oder sogar Tod zeugten, vermochte keiner der drei Pfadfinder zu deuten.
Sie kamen an hohen Galgen vorbei, hergestellt aus gespenstischem weißen Treibholz, gebleichten Ästen und den Wurzeln von Bäumen, zusammengebunden mit Stofffetzen, auf denen Leichen lagen, den Elementen ausgesetzt. Grobe Schnitzereien und seltsame gespannte Häute, mit Zeichen verziert, säumten diese Plattformen, von denen einige nur Knochen enthielten.
Es war unmöglich zu erkennen, welche Arten von Geschöpfen die Leichen einst gewesen waren, es sei denn, man wäre auf die Gestelle hinaufgeklettert. Es ließ sich nicht einmal sagen, ob diese Plattformen der üblichen Leichenbestattung oder vielleicht der Zurschaustellung der Überreste von gefolterten Opfern dienten.
Krähen pickten an Eingeweiden und toten Augen herum; die Plattformen bogen sich unter ihrem Gewicht, quietschten und ächzten, als ob sich die Kadaver über ihre Behandlung beschwerten.
Der Geruch des Bösen lag in der nächtlichen Luft. Kunicht konnte nicht umhin zu zittern, während sie durch die Marschen schlichen und er sich ständig in den Halbmondwald zurückwünschte. Einmal überraschten sie eine einsame Ratte, die aus einer brackigen Pfütze im Mondlicht trank, doch Grind lähmte das Geschöpf durch einen schnellen Schlag mit einem Stück Treibholz auf den Kopf.
»Wie lange dauert es noch, bis wir die Marschen endlich hinter uns haben?«, flüsterte Kunicht, der seinen schlimmsten Albtraum durchlebte. »Warum nehmen wir diesen Weg?«
»Weil die direkte Strecke gefährlich ist«, antwortete Sylber. »Möchtest du den Ratten in die Klauen fallen? Kannst du dir vorstellen, was dann mit dir passieren würde?«
»Nur allzu lebhaft«, stöhnte Kunicht.
Einmal kamen sie an einem riesigen Palast aus Hartholz vorbei, der auf Stelzen gebaut war. Er erhob sich aus den Marschen und beherrschte die Szene um sich herum mit einem dunklen, öligen Glanz. Es gab kleine, dürftige Fenster, hohe geschwungene Dächer und Türme mit dicken Balken. Oben auf den Türmen standen Rattenwachen, deren spitze Gesichter im Mondschein deutlich zu sehen waren. Überdachte Gänge verbanden die Türme. Seile mit Schlingen baumelten von hervorstehenden Sparren und wehten in der nächtlichen Brise. Es waren keine Türen in der Wand zu sehen.
Ein einziges schwaches Licht schimmerte hinter einem kleinen Fenster in der großen Holzfestung mit ihren mit Dornen gespickten Palisaden, während der Rest des Anwesens im Dunkeln lag.
»Flaggatis ist zu Hause«, flüsterte Sylber, als sie daran vorbeigingen. »Dies ist der Palast des Zauberers.«
»Das Licht da…?«, fragte Grind.
»Er«, antwortete Sylber knapp.
Ratten schwammen in dem stinkenden Marschwasser um den Palast herum; manchmal kletterten sie heraus auf die Insel, bedeckt von Wasserhalmen, um sich zu schütteln. Sylber vermutete, dass sich der Eingang zum Palast unter Wasser befand und dass die Ratten ständig auf der Hut waren vor Angriffen. Es müsste schon ein besonders kühnes und vielleicht auch besonders törichtes Heer sein, das versuchen würde, Flaggatis auf seinem eigenen Grund und Boden zu überfallen.
»Ich will nur mal eben durch das Fenster da blicken«,
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