Weber, David - Honor Harrington - Sturm der Schatten
ausfiel. »Vor Monica haben die mich geführt, als hätte ich einen Ring in der Nase. Ich finde, das sollte ich durchaus zugeben. Wenn also einer von ihnen – oder sogar beide, aber dann helfe uns Gott! – am anderen Ende dieses Unternehmens agiert, wird Byng tun, was immer Manpower will, da gebe ich Ihnen recht. Für uns bedeutet das, dass wir uns gut überlegen sollten, wie unsere nächsten Schritte aussehen.«
»Dazu habe ich bereits Gedanken gewälzt«, sagte Hongbo, ohne zu erwähnen, dass im Zentrum dieser Überlegungen hauptsächlich die Befehle standen, nach denen Ottweiler handelte. »Mir kommt es als das Vernünftigste vor, wenn wir diese Nachricht zu Admiral Crandalls Information nach McIntosh weiterleiten. Sie steht natürlich nicht im Mindesten unter Ihrem Befehl. Andererseits ist Admiral Byng bereits nach New Tuscany aufgebrochen – aus eigener Autorität natürlich, auch wenn Sie als zuständiger Grenzsicherheitsgouverneur zugestimmt haben, sich seinem Urteil zu beugen. Unter diesen Umständen wäre es nur angemessen höflich von Ihnen, wenn Sie einem anderen Schlachtflottenoffizier, der sich zufällig in der Nähe befindet, seinen Aufenthaltsort melden und ihn darüber hinaus vom zunehmenden Zerfall der Beziehungen zwischen Manticore und New Tuscany in Kenntnis setzen.«
»Und was wird Crandall Ihrer Meinung nach dann tun?«
»Das hängt ganz von ihr ab, würde ich sagen«, erwiderte Hongbo. Und worin die Anweisungen bestehen, die sie von Manpower erhalten hat, ergänzte er in Gedanken, sprach es aber wohlweislich nicht laut aus. »Es bestände die entfernte Möglichkeit, dass sie augenblicklich nach New Tuscany aufbricht, auch wenn ich das nicht für sonderlich wahrscheinlich halte. Interessiert Sie meine Einschätzung?«
»Deshalb habe ich die Frage gestellt«, erwiderte Verrochio leicht sarkastisch.
»Nun, ich glaube, am wahrscheinlichsten ist, dass Crandall ihre Schiffe von McIntosh nach Meyers verlegt. Wir sind hier nicht darauf eingerichtet, ihren Kampfverband zu unterstützen, aber in dieser Hinsicht ist es hier auch nicht schlimmer als im McIntosh-System, und der Zweck ihres Einsatzes ist ja angeblich auch ein Test der Fähigkeit von Navyverbänden, ohne lokale Unterstützung auszukommen. Dieses System ist das Verwaltungszentrum der Region, und sie könnte auf die beste Kommunikation zurückgreifen. Hier laufen alle Signale Byngs zusammen, und Admiral Nelson wartet hier mit dem Rest von Byngs Schlachtkreuzern. Wenn wir all das berücksichtigen, fällt mir für Crandall keine logischere Warteposition ein als Meyers.«
»Wunderbar.« Verrochio trank sein Bier aus und zuckte die Achseln. »Ich habe das Gefühl, das geht weit über den Bedarf hinaus, aber ich nehme an, Sie haben recht. Lassen Sie das Kommunikationszentrum die Informationen zu ihr weiterleiten.«
»Noch jemand Ideen in letzter Minute?«, fragte Michelle Henke ruhig und sah sich in dem weiten, kühlen, stillen, nur schwach beleuchteten Flaggdeck von HMS Artemis um. »Irgendwelche letzten Vorschläge?«
Cynthia Lecter musterte den Rest des Stabes, eine Augenbraue erhoben, dann wandte sie sich Michelle zu und schüttelte den Kopf.
»Nein, Ma’am«, antwortete sie für alle, und Michelle nickte.
Sie hatte keine Verbesserungsvorschläge erwartet, aber trotzdem die vergangene Nacht mit Grübeln verbracht. Sie fragte sich oft, wie Honor vor Beginn einer außerordentlich wichtigen Operation so ruhig wirken konnte. Vor jedem Angriff der 8. Flotte in den rückwärtigen Regionen Havens hatte sich Michelle ihre Gedanken gemacht, aber sie war stets eine der untergeordneten Geschwaderchefinnen gewesen. Das, begriff sie nun, war ein weiterer Grund, weshalb sie niemals die Beziehungen hatte spielen lassen, um verfrüht zum Flaggoffizier befördert zu werden. Zwar beruhte ihr Widerstand hauptsächlich wirklich auf ihrer Ablehnung von Nepotismus, aber sie wusste jetzt, dass es noch einen weiteren Faktor gab. Einen Faktor, der, wenn auch nicht ganz, so doch fast ihre eigene Art von Feigheit darstellte.
Michelle Henke bewunderte Honor Harrington gewaltig, aber sie war keine Honor, und das wusste sie. Sie wusste, dass sie in vielerlei Hinsicht ein wesentlich weniger komplizierter Mensch war; nie hatten sie all die Gewissenskämpfe geplagt, die so sehr zu Honor gehörten. Alles in allem war Michelle immer … direkter gewesen. Sie dachte mehr in Begriffen von Schwarz und Weiß und war weniger bereit, mit dem Feind zu fühlen oder sich
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