Weber, David - Honor Harrington - Sturm der Schatten
Manty-Lieutenant nett zu ihr ist und nicht mehr diese gemeinen Sachen sagt. Aber ich glaube auch nicht, dass Ihnen besonders gefallen wird, was Ihnen zustößt, wenn Hearns beschließt, die Angelegenheit selbst in die Hand zu nehmen. Und ganz gleich, ob sie zum Eins-O geht oder nicht, das macht keinen Unterschied, was Sie angeht, falls er von selbst davon hört. Das sollten Sie mir glauben. Aber es ist mir gleich.« Der Ingenieur hob die Schultern, als O’Reilly sich beinahe sichtlich duckte und die Fersen in den Boden stemmte. »Mir ist es völlig gleichgültig, was Sie machen. Aber wenn Sie den Skipper und den Eins-O gegen sich aufbringen, vergeht vielleicht dem einen oder anderen Teil Ihrer Anatomie seine Nonchalance.«
»Was halten Sie nun von Abigail?«, fragte Naomi Kaplan fröhlich beim Kaffee nach dem Abendessen, als Chief Steward Brinkman den Tisch abräumte.
»Was bitte meinen Sie?«, fragte Lieutenant Commander Alvin Tallman ohne Falsch, die Augenbrauen hochgezogen, und Kaplan lachte leise. Ihre Bewegungen zeigten noch immer eine gewisse Steife, aber im Flottenhospital Basingford hatte man sie mit üblicher Gründlichkeit wieder zusammengesetzt. Tallman fand, dass seine Kommandantin etwas bemerkenswert Katzenhaftes an sich hatte. Es lag nicht nur in der Art, wie sie sich trotz einer gewissen verbliebenen Vorsicht bewegte. Sie verbreitete eine fast liebenswürdige Tödlichkeit, die nur darauf wartete, dass jemand so dumm wäre, in ihr Revier einzudringen, und einen schnurrenden Unterton von Sinnlichkeit, dachte er und fand es – nicht zum ersten Mal – sehr schade, dass die Kriegsartikel jede Art romantischer Beziehung zwischen Offizieren in der gleichen Befehlskette strikt verbot.
Oder vielleicht ist es doch nicht so tragisch, überlegte er. Sie würde mich wahrscheinlich zerkauen und ausspucken … auf die netteste, angenehmste Art natürlich. Irgendwie glaube ich nicht, dass ich lange genug mit ihr Schritt halten könnte, bis es sich zu etwas anderem entwickelt. Und weiß Gott gibt es einen verdammt guten Grund, aus dem das Reglement verbietet, mit seinem Eins-O zu schlafen! Trotzdem …
»Ach, jetzt gucken Sie mich doch nicht so unschuldig an«, sagte Kaplan und drohte ihm mit dem Finger. »Sie wissen genau, wonach ich frage.«
»Jawohl, Ma’am. Ich denke schon«, gab er zu. Sein Gesichtsausdruck wurde nüchtern, und er griff nach seiner Kaffeetasse. Er trank einen Augenblick lang davon, dann senkte er die Tasse und zuckte die Achseln.
»Ich habe ihre Fähigkeiten niemals bezweifelt, Ma’am«, begann er. »Ich kenne sie natürlich nicht so gut wie Sie, aber als ich mir ihre Akte ansah, war mir sofort klar, dass sie nicht der Typ Mensch ist, der Panik bekommt und im Kreis rumrennt wie ein aufgescheuchtes Huhn, wenn es hart auf hart kommt. Und ich muss Ihnen zustimmen, trotz ihres geringen Rangdienstalters hat sie mit dem Typ 16 mehr Erfahrung als jeder andere Offizier an Bord. Trotzdem, wenn ich ehrlich bin, habe ich mir schon Sorgen wegen ihres Alters gemacht. Sie ist so verdammt jung, dass ich erwartet habe, ihre Uniform quietschen zu hören, wenn sie vorbeigeht. Und offen gesagt, gut damit umgehen zu können, wenn es hart auf hart kommt, bedeutet noch lange nicht, insgesamt ein guter Offizier zu sein. Ich war mir wohl nicht ganz sicher, ob jemand in ihrem Alter schon genug Erfahrung auf verwaltungs- und ausbildungstechnischem Gebiet haben kann, um eine komplette taktische Abteilung zu leiten.«
»Und beschäftigt Sie diese Frage noch immer?«, fragte Kaplan.
»Nein, Ma’am. Eigentlich nicht.« Tallman schüttelte den Kopf. »Ich gebe zu, ich habe bei ihr stärker auf Verwaltungsarbeit und Menschenführung geachtet als bei jedem anderen an Bord. Bislang hat sie, was die Verwaltung angeht, noch keinen noch so kleinen Fehler begangen. Und meine Spitzel berichten, dass sie schon jeden Angehörigen ihrer Abteilung mit Namen kennt, weiß, von welcher Welt er stammt und was seine Heimatstadt ist, ob er verheiratet ist – oder mit jemandem zusammen –, und offenbar ist ihr sogar seine Lieblingsmannschaft bekannt.«
»Also würden Sie sagen, in dieser Hinsicht hat sie bestanden?«
»Mit fliegenden Fahnen.«
»Und die Ausbildung ihrer Abteilung?«
»Da bin ich noch mehr beeindruckt als über ihren Umgang mit Papierkram. Verstehen Sie mich nicht falsch – es knirscht überall im Getriebe, nicht nur in der Taktik, sondern in jeder Abteilung, sodass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen
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