Weber David - Schwerter des Zorns - 2
dessen ebenso bewusst
wie Ihr. Und sie hat Eurer Schwester eine strenge Lektion erteilt, be
vor sie sich überhaupt bereit erklärte, sie auszubilden.« Brandark
lachte wieder. »Es ist schon komisch, dass Sharkah gut fünfzehn Jah
re älter ist als Kerry, doch was die Lebenserfahrung angeht …« Er
zuckte mit den Schultern. Marglyth nickte.
»Aye. Es fällt mir schwer, nicht zu vergessen, dass Menschen nur
siebzig oder achtzig Jahre alt werden. Das erklärt vielleicht ihr drin
gendes Bedürfnis, früh in die Welt hinauszugehen und zu handeln.«
»Ich glaube nicht, dass sie es so sehen«, widersprach Brandark
nachdenklich. »Dass ihnen weniger Zeit bleibt als uns, meine ich.
Gewiss, sie ziehen ihre Kinder schneller auf als wir die unseren, an
dererseits bekommen sie auch viel mehr als wir. Wäre Kerrys Kind
heit weniger … hässlich verlaufen, wäre sie vermutlich in ihrem
Heimatdorf geblieben und hätte mittlerweile vier oder fünf Kinder.
Vermutlich sogar mehr.«
»Was?« Marglyth sah verblüfft zu dem weiblichen Paladin hin
über. »Wenn Sharkah erst …« Sie rechnete im Kopf kurz nach. »Kae
ritha ist doch keinen Tag älter als zweiunddreißig«, erklärte sie dann
fast schockiert. Ein Hradani-Mädchen heiratete selten vor ihrem
dreißigsten Lebensjahr und es geschah äußerst selten, dass sie ihr
erstes Kind vor Mitte Dreißig bekam.
»Das stimmt.« Brandark trank noch einen Schluck Bier und deute
te dann mit einem Nicken auf das Übungsfeld. »Nach unseren Maß
stäben gemessen ist sie erst ein Mädchen. Aber seht Ihr, dass sie vor
einem der Männer da draußen zurückzuckt?« Marglyth schüttelte
den Kopf und er fuhr mit der freien Hand durch die Luft. »Eben das
meine ich, wenn ich sage, dass sie schneller erwachsen werden. Die
ses ›Mädchen‹ ist ein geweihter Ritter des Tomanâk, dazu noch ein
Paladin, seit sie vierundzwanzig war. Was habt Ihr in diesem Alter
gemacht?«
»Ich
habe
meinem
Lieblingslehrer
hinterhergeheult«,
gab
Marglyth lächelnd zu.
»Und Sharkah?«
»Sie hat meinen Lieblingslehrer möglichst gemieden. Eigentlich
hat sie einen großen Bogen um jeden Lehrer gemacht. Ich erwähnte
doch schon, dass sie Bahzell sehr ähnlich ist, nicht wahr?«
»Ja, das tatet Ihr. Aber dieser Unterschied in der Schnelligkeit, mit
der die Kinder unserer jeweiligen Rassen aufwachsen, ist vielleicht
genau der Grund, aus dem Eure Schwester so gebannt an Kerrys
Lippen hängt.« Er verzog das Gesicht. »Ich bezweifle, dass sie über
haupt über Kerrys Alter nachdenkt, weil Kaerithas Worte ihr von
der Erfahrung diktiert werden. Wenn ihr Kerry also eine Lektion er
teilt, hört Sharkah genau zu, glaubt mir.«
»Was für eine Lektion war das denn?«
»Der wichtigste Bestandteil war ein Versprechen, das Kaeritha
Sharkah abgenommen hat. Sie musste geloben, dass sie zu Hause
bleibt und ihre Ausbildung fortsetzt, bis Kerry findet, dass sie fertig
wäre. Unter dieser Bedingung hat sich Kaeritha überhaupt erst be
reit erklärt, sie auszubilden. Dann kam auch noch Bahzell vorbei
und hat Sharkah schwören lassen, den Befehlen aller Ausbilder des
Ordens zu gehorchen.«
»Wollt Ihr etwa sagen, dass er sie in den Orden aufgenommen
hat?« Marglyth sah ihn überrascht an, doch Brandark schüttelte den
Kopf.
»Nein. Was nicht heißen soll, dass er es ihr abschlagen würde,
wenn sie wirklich will. Doch selbst dann würde er ihr erst das
Schwertgelübde abnehmen, wenn sie die erste Stufe der Ausbildung
zur Zufriedenheit des Ordens absolviert hat. Das ist wohl so eine
Art Auswahlverfahren. Die Prüfungen sind so hart, dass niemand,
der sie übersteht, sich noch irgendwelche Illusionen machen dürfte,
was ihn bei einem militärischen Orden erwartet.«
Marglyth nickte und schaute Brandark nachdenklich an. Er be
merkte das nicht sofort, doch schließlich erregte ihr andauerndes
Schweigen seine Aufmerksamkeit. Er riss seinen Blick vom Übungs
feld los und spitzte fragend die Ohren.
»Ihr wisst viel über den Orden, hab ich Recht?« fragte sie.
»Dank Eurem Bruder hänge ich auf die eine oder andere Art seit
fast vier Monaten mit diesem Haufen zusammen«, erklärte Bran
dark ironisch. »Dabei habe ich wohl das eine oder andere aufge
schnappt.«
»Offensichtlich. Ich hoffe, Ihr versteht mich nicht falsch, aber
warum seid Ihr dem Orden nicht auch beigetreten?« Brandark neig
te den Kopf und Marglyth fuhr rasch fort. »Ich will sagen, dass Ihr
Bahzell begleitet und ihm ständig den Rücken freihaltet, wohin der
Orden ihn auch führt.
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