Weber David - Schwerter des Zorns - 2
Mal vernahm Vaijon ein
unheilvolles Grollen in seiner tiefen Stimme.
»Aber … aber …«
»Ruhe, Vaijon!« Die Stimme des Herrn Charrow klang so scharf,
wie Vaijon sie noch nie gehört hatte, doch allein das ärgerliche Blit
zen in den braunen Augen des alten Ritterhauptmannes genügte,
um Vaijon erschreckt innehalten zu lassen.
»Vergebt mir, He … Prinz Bahzell«, stammelte er und senkte reu
mütig den Kopf mit den golden schimmernden Locken.
»Gewährt«, antwortete Bahzell nach einigen Herzschlägen, und
Charrow holte tief Luft.
»Ich danke Euch für Eure Geduld mit uns, Milord«, sagte er feier
lich. »Euch ist gewiss klar, dass unser Orden keine Erfahrung damit
hat, wie er einen Hradani-Paladin ordnungsgemäß ansprechen
muss. Und ich fürchte, unser Gott war … sagen wir, weniger als
mitteilsam, als Er uns über Euer Eintreffen in Kenntnis gesetzt hat.«
»Aye! Er hat einen ausgeprägten Sinn für derbe Scherze«, stimmte
Bahzell mit einem Schnauben zu. Die Missstimmung war verflogen.
»Was das angeht, hat Er mir offenbar ebenfalls einiges verschwie
gen. Nicht zuletzt, dass es überhaupt einen Orden des Tomanâk
gibt! Ich habe genauso wenig Ahnung davon, was Ihr so treibt, wie
ein Roter Lord von Mitgefühl.«
»Er hat Euch nichts von unserem Orden gesagt?« Das schien selbst
Charrow zu entsetzen. Bahzell zuckte mit den Schultern. Der alte
Ritter sah ihn einige Sekunden an und dachte offenbar über das
eben Gesagte nach. Dann riss er sich zusammen. »Wohlan! Wie ich
sehe, haben wir eine Menge zu besprechen, Milord. Aber zunächst
stände es Vaijon wohl gut an, Euch und Lord Brandark in Eure
Quartiere zu führen, damit Ihr Euch einrichten könnt. Danach wäre
es sehr freundlich, wenn Ihr mich in der Bibliothek aufsuchen wür
det. Ich versuche dann, die Lücken zu füllen, die Er vergessen hat,
zu schließen.«
Eine Stunde später hatte sich Vaijon sein Kettenhemd ausgezogen
und trug jetzt die einfache Tunika und Hose, die die Ordensbrüder
gewöhnlich im Ordenshaus anlegten. Allerdings bestanden seine
Kleidungsstücke aus feinster Seide. So gewandet führte er Bahzell
und Brandark in die Bibliothek. Nachdem er sie zu den Quartieren
gebracht hatte, die für sie vorbereitet worden waren, hatte er die
Zwischenzeit genutzt, um sich zu sammeln. Entsprechend gefasst
wirkte seine Miene, als er sie durch die steinernen Korridore leitete.
Innerlich jedoch war er keineswegs mit der Vorstellung eines
Hradani-Paladin versöhnt. Vor allem nicht – und es schmerzte ihn,
das zugeben zu müssen – mit einem hinterwäldlerischen, ungebilde
ten Hradani-Paladin, dessen Axtmännisch dem der Förster glich, die
des Lesens und Schreibens unkundig waren und auf den Besitzun
gen der Almerhas im hintersten Vonderland dienten. Er wusste,
dass es keine Rolle spielen sollte, wenn es das auch für Tomanâk
nicht tat. Aber es spielte eine Rolle. Das tat es wirklich, und er konn
te sich noch so sehr bemühen, es gelang ihm einfach nicht, den Wi
derwillen dagegen zu unterdrücken, dass eine so hohe Ehre an eine
solche … Person verschwendet werden sollte. Genauso wenig konn
te er seine Verachtung für die Person zügeln, an die diese Ehre ver
geudet worden war.
Und erst Bahzells Gefährte! Zugegebenermaßen war Brandark ge
bildeter als Bahzell. Sein Axtmännisch glich dem der gebildeteren
Bürger des Reiches der Axt. Zwar mangelte ihm die aristokratische
Finesse, mit der Vaijon sprach, aber er beherrschte die Sprache weit
besser als selbst Herr Charrow. Trotzdem wusste Vaijon nicht so
recht, ob er Brandark mit Bahzell zusammen zu seinem Kapitelmeis
ter führen sollte. Der Ritterhauptmann hatte gesagt, er habe Bahzell
einiges zu erklären. Das bedeutete jedoch nicht, dass er die Angele
genheiten des Ordens vor einem Außenstehenden ausbreiten wollte.
Unglücklicherweise bestand Bahzell unmissverständlich auf Bran
darks Begleitung, und der kleinere Hradani sah offenbar keinen
Grund, warum er dieser Einladung nicht folgen sollte. Erneut fand
sich Vaijon in der Lage, dass er etwas tat, was er nicht tun sollte,
und das auf Grund des unausgesprochenen Geheißes der vollkom
men ungeeigneten Person, die Tomanâk zu seinem Paladin auserko
ren hatte.
Dieser Gedanke verfolgte ihn bis in die Bibliothek, wo Herr Char
row an einem prasselnden Kohlenfeuer saß. Den großen Raum er
wärmte Luft aus den Brennöfen im Heizraum des Kellergewölbes,
die durch verborgene Kanäle unter dem Steinboden und in den
Wänden weitergeleitet wurde und die
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