Weber David - Schwerter des Zorns - 2
spielend wieder eingeholt.
Am ersten Tag hatten Brandark und er gemeinsam trainiert, wäh
rend Herr Yorhus, Vaijon und zwei andere Ritter Wache hielten.
Doch dabei war es nicht lange geblieben. Am nächsten Morgen hatte
Vaijon Bahzell respektvoll an sein Versprechen erinnert, seine Aus
bildung zu vervollkommnen, und Herr Harkon, der Oberste Ritter
gefährte und Stellvertreter von Herrn Yorhus hatte um die Erlaubnis
gebeten, mit Lord Brandark üben zu dürfen. Bereits am dritten Tag
hatten es sämtliche Ritter und zwei höherrangige Laienbrüder so
eingerichtet, dass sie Prinz Bahzell abwechselnd »bewachen« durf
ten, während er mit seinen Waffen trainierte, so dass sie alle auch
ihre eigenen Übungen absolvieren konnten. Das überraschte Bahzell
eigentlich nicht, denn schließlich waren sie Mitglieder eines militäri
schen Ordens. Dieses Training gehörte seit Jahren zu ihrem Leben,
und sie wussten, wie wichtig es war, dass sie in Übung blieben. Au
ßerdem war es eine willkommene Abwechslung von der Eintönig
keit der Reise, und ganz gleich, wie gut ausgerüstet sie auch sein
mochten, eine Winterreise war immer eine mühsame Angelegenheit.
Allerdings gab es da noch einen anderen Aspekt, der Bahzell nur
langsam dämmerte, weil er sich nach wie vor nicht als außerge
wöhnlich betrachtete. Für diese Männer jedoch war er etwas Beson
deres. Er war ein vom Gott selbst auserkorener Paladin des Lichts,
noch dazu einer, den ihr Gott vor ihren eigenen Augen als den Sei
nen geadelt hatte. Was Bahzell auch versuchte, wie sehr er sich be
mühte, ihre Haltung zu verändern, sie würden niemals einen ge
wöhnlichen Mann in ihm sehen. Deshalb strebten sie eifrig danach,
sich mit ihm zu messen und auf diese Weise einen Fetzen Göttlich
keit zu berühren, wie indirekt auch immer.
Als Bahzell schließlich begriff, was in ihnen vorging, versuchte er
ernsthaft, das zu verändern. Er wollte kein von einem Gott geadelter
Paladin für sie sein, und sein Widerwille, vor jemandem, selbst vor
einem Gott, auf die Knie zu fallen und ihn anzubeten, machte es ihm
unerträglich, wenn ihm jemand anders diese Ehre erwies. Dass Herr
Yorhus in seiner Ehrerbietung der Eifrigste war, machte die ganze
Angelegenheit auch nicht gerade einfacher. Wie Bahzell bereits
Herrn Charrow gegenüber recht drastisch bemerkt hatte, bestand
der Ritterkommandeur aus dem Stoff, aus dem wahre religiöse Fa
natiker geschnitzt wurden. Nicht, weil er böse oder überheblich
wäre, sondern weil er so inbrünstig glaubte. Und die Vernunft
durch den Glauben ersetzte, eine Haltung, bei der sich Bahzell die
Nackenhaare sträubten. Der Pferdedieb erinnerte sich noch sehr ge
nau an die Nacht, als ihm Tomanâk mitgeteilt hatte, dass seine Stur
heit, niemals etwas anderes zu tun als das, was er selbst für richtig
hielt, ihn eben zu Seinem Paladin gemacht hatte. Er hatte damals die
Worte des Gottes nicht gänzlich begriffen, doch wenn er Herrn Yor
hus jetzt ansah, verstand er sie.
Erst hatte er vermutet, dass es zu seiner Aufgabe gehörte, den Or
densritter zur Veränderung zu bringen, irgendwie seine eigene, ei
gensinnige Persönlichkeit an der des Ritterkommandeurs zu reiben.
Mit diesem Hintergedanken hatte er Herrn Yorhus eingeladen, mit
ihm zu trainieren. Er hoffte, dass eine Abreibung wie die, die er Vai
jon verpasst hatte, wenngleich auch fühlbar weniger drastisch, den
geistigen Panzer des älteren Ritters knacken könnte. Sehr bald muss
te Bahzell erkennen, dass all seine Mühen umsonst waren. Denn
Herrn Yorhus fehlte etwas, das Vaijon besaß. Bahzell konnte nicht
genau benennen, worum es sich dabei handelte. Er hegte zwar eine
Vermutung, aber sie blieb zu vage, als dass er sich wirklich hätte si
cher sein können. Auf jeden Fall litt Herr Yorhus unter diesem Man
gel. Außerdem war er keineswegs so selbstverliebt wie Vaijon, denn
der Ritterkommandeur hatte keine einzige hochmütige Faser in sei
nem Körper. Sein Problem war eher, dass er sein eigenes Urteilsver
mögen über das der anderen stellte und auf jeden verächtlich hinab
sah, der seinen Erwartungen, was Fähigkeiten, Herkunft oder Ge
schicklichkeit im Umgang mit den Waffen anging, nicht entsprach.
Eine Haltung, die in Wahrheit aus einer tiefen Demut erwuchs. Herr
Yorhus war vollkommen bereit, sich Tomanâks Willen ganz und gar
unterzuordnen. Es drängte ihn sogar danach, sich Tomanâk zu un
terwerfen, und genau das war der Kern seines Problems.
Da ihm der Gott keine präzisen Befehle gab, sah sich Herr
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