Weber David - Schwerter des Zorns - 2
Yorhus
gezwungen, selbst zu entscheiden, wie diese göttlichen Befehle wohl
aussehen könnten. Sobald er zu einem Entschluss gekommen war,
nahmen diese Befehle den Stempel von Tomanâks Eigenem Willen
an, jedenfalls nach Ansicht des Ritterkommandeurs. Er hielt mit ei
ner unerbittlichen, eisernen Entschlossenheit daran fest und erwar
tete von seinen Gefährten dasselbe. Ihm kam auch so gut wie nie der
Gedanke, dass er sich vielleicht in seiner Einschätzung, was To
manâk von ihm wollte, irren könnte. Schließlich würde ihm der Gott
doch gewiss mitteilen, wenn er irrte. In Bahzells Fall hatte ihm To
manâk das ja deutlich gezeigt. Das führte dazu, dass der Ordensrit
ter fast schon verzweifelt versuchte, für seine »Sünden« Abbitte zu
tun. Bahzell schwante jedoch, dass Yorhus, sobald er seine Buße ab
geleistet und in seinen Augen seine Verfehlungen gesühnt hatte,
wieder in seine alte fanatische Engstirnigkeit zurückfiele. Oh, er
würde natürlich nicht denselben Fehler wiederholen, aber für seine
Schuld zu büßen schien eben diese Vorurteile nur zu verstärken, die
ihn überhaupt dazu verleitet hatten, sie auf sich zu laden.
Unglücklicherweise konnte Bahzell die Neigung zu fanatischem
Glauben nicht so einfach in einem Übungskampf aus jemandem her
ausprügeln. Im Gegenteil, es ging eher darum herauszufinden, wie
er eine Portion Selbstzweifel in den guten Yorhus hineinprügeln
konnte. Doch für eine solche Aufgabe war Bahzell nur schlecht ge
eignet. Geduld war noch nie seine Stärke gewesen. Er war weit bes
ser darin, Problemen zu begegnen, die man löste, indem man sie
auseinander nahm, gewöhnlich mit drastischen Maßnahmen und ei
ner Portion Gewalt, bevor man die einzelnen Stücke dann wieder so
zusammensetzte, wie sie eigentlich gehörten. Yorhus stellte jedoch
eine andere Art von Aufgabe dar, und Bahzell hatte keine Ahnung,
wie er die Fähigkeiten, an denen es dem Ritterkommandeur mangel
te und die zu erlangen der Mann offenbar auch keinen dringenden
Grund sah, in ihm aufbauen sollte.
War für Bahzell der Umgang mit Yorhus schon schwierig, gestalte
te er sich für Brandark als schlichtweg unmöglich. Sein Freund
konnte ebenso wenig aufhören, gegen alles und jeden um ihn herum
zu sticheln, wie er hätte aufhören können zu atmen. Aber der ernst
hafte Ritterkommandeur, der grundsätzlich alles wörtlich nahm, be
griff einfach nicht, was die Blutklinge an einer geistreichen Bemer
kung oder einem Lied oder einem Scherz fand. Natürlich versuchte
er es, doch seine Bemühungen, Ironie zu verstehen, drohten Bran
dark zum schweren Trinker werden zu lassen. Trotzdem gelang es
Herrn Yorhus einfach nicht, und Bahzell war froh, dass Brandark es
taktvoll – und vielleicht auch aus purem Selbsterhaltungstrieb – vor
zog, Gespräche mit Yorhus so weit wie möglich zu vermeiden.
Allerdings brachte das Bahzell der Lösung seines Problems keinen
Schritt näher. Herr Adiskael war in Belhadan geblieben, wo Herr
Charrow zweifellos seine eigenen Vorstellungen hatte, wie man Fa
natismus kurieren konnte, Yorhus jedoch war Bahzells Aufgabe.
Leider hatte er keine Ahnung, wie er sie bestehen sollte.
»Entschuldigt, Milord, aber ich kam nicht umhin zu bemerken,
dass Euch etwas bedrückt. Kann ich Euch vielleicht behilflich sein?«
Bahzell schaute von seinem Becher mit dem starken, dampfenden
Tee hoch. Sie hatten Belhadan vor sechs Tagen verlassen und befan
den sich höchstens noch zwei Tagesritte von Beilhain entfernt. Trotz
der widrigen Jahreszeit verstärkte sich auf der Hochstraße, je näher
sie der Königlich-Kaiserlichen Hauptstadt kamen, überraschender
weise der Verkehr. Manche der Passanten hatten Bahzell und Bran
dark verwundert angeglotzt, als sie in ihnen Hradani erkannten,
und ein oder zwei waren sogar richtiggehend zurückgewichen. Im
Vergleich mit dem Willkommen – oder dem Mangel an demselben –
, das sie in anderen Ländern erlebt hatten, entsprach dieses Verhal
ten eher einer herzlichen Begrüßung. Vermutlich taten die zwei Dut
zend Bewaffneten der Eskorte vom Orden des Tomanâk das ihrige
dazu, wie wohl auch, dass Bahzell ebenfalls die Ordensfarben trug.
Herr Yorhus jedoch sah das leider vollkommen anders und hatte
fast den ganzen Morgen lang allen Passanten wütende Blicke zuge
worfen, die seiner Meinung nach Bahzell gegenüber auch nur re
spektlose Gedanken hegten.
»Wie kommst du darauf, dass mich etwas beschäftigt?« Bahzell
versuchte Zeit zu gewinnen, ein sehr durchsichtiger Versuch, den
Vaijon
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