Weber David - Schwerter des Zorns - 2
Hochstraße zu. Diejenige zum Beispiel, die von Belha
dan nach Beilhain führte, maß zwanzig Meter in der Breite und war
mit flachen, glatten Steinplatten gepflastert. Selbst die größten Last
karren konnten ohne Schwierigkeiten aneinander vorbei rumpeln,
und die beinahe schon überhebliche Gradlinigkeit des Straßenbettes
beugte sich mit einem eleganten Schwung nur wahrhaft unüber
windlichen Hindernissen. Ihre Erbauer hatten sehr genau gewusst,
wohin sie wollten. So hatten sie sich einfach den Weg durch Hügel
geschnitten, statt sie zu umrunden oder etwa Steigungen hinzuneh
men, welche Lasttiere und Zugpferde zweifellos erschöpft hätten.
Doch obwohl Bahzell die Vollendung bewunderte, mit der die
Straßen des Reiches auf die Bedürfnisse der Frachtleute zugeschnit
ten waren, konnte er sich denken, dass der zivile Nutzen dieser Stra
ßen bei ihrer Planung und Erbauung nur zweitrangig gewesen war.
Natürlich war der Güterverkehr für das Reich sehr wichtig, aber
diese Straßen waren für das Fußvolk gebaut worden, nicht für Kar
ren oder Pferde. An beiden Seiten säumten breite Grassoden die
Hochstraße, deren Aufgabe eindeutig darin bestand, den Hufen und
Fesseln galoppierender Pferde die Stöße zu ersparen, die ihnen die
Steine in ihrer Mitte versetzt hätten. Welche wiederum für die Stiefel
marschierender Soldaten wie gemacht waren, denn das wahre Rück
grat der Kaiserlich-Königlichen Armee war ihre überlegene Infante
rie. Kein Heer in Norfressa konnte sich mit ihrer Schlagkraft messen,
und Straßen wie diese boten ihr eine unerreichbare Beweglichkeit.
Die Männer der Königlich-Kaiserlichen Infanterie nannten sich
selbst »die Maultiere Ihrer Königlichen Majestät«, eine Bezeichnung,
aus der ebenso viel Stolz wie Ironie sprach. Ihre Ausbildung in Frie
denszeiten schloss regelmäßige Gewaltmärsche von vierzig Meilen
pro Tag ein, und zwar in voller Ausrüstung. Sie hatten mehr als ein
mal bewiesen, dass sie fast jede Kavallerieabteilung der Welt in
Grund und Boden marschieren konnten.
Vor allem auf Straßen wie dieser. Die Hochstraße zwischen Belha
dan und Beilhain war fast eintausend Jahre alt. Die uralten Steine
der Brücken, die viele Ströme und kleinere Flüsse überspannten,
waren von Moos überzogen, und die Bäume der Tannengehölze, die
man als Windschutz daneben gepflanzt hatte, waren zu Giganten
mit oftmals mehr als einem Meter fünfzig Durchmesser gewachsen.
Trotz ihres Alters wies die Straße selbst jetzt, mitten im tiefsten Win
ter, weder Schlaglöcher noch Schlammsenken auf, mit denen Bah
zell und Brandark auf vielen anderen Straßen bis zum Überdruss
hatten kämpfen müssen. Das Reich der Axt war sehr wohlhabend,
und Siedlungen und Dörfer, von denen Letztere in vielen anderen
Ländern bereits als Städte gegolten hätten, säumten sich wie Perlen
auf einer Schnur entlang der Hochstraße. Das Ackerland, das Ge
meinden von solcher Größe ernährte, musste sehr fruchtbar sein.
Doch als Bahzell die Häuser zählte, den Rauch bemerkte, der sich
aus zahlreichen Schornsteinen in den Himmel kräuselte und die
wohlgenährten Bürger sah, die ihrem kleinen Trupp neugierig nach
schauten, dämmerte ihm, dass die Axtmänner offenbar einiges über
Ackerbau und Viehzucht wussten, das seinem Volk bisher verbor
gen geblieben war. Selbst wenn man bedachte, dass über das gut ar
beitende Transportsystem des Reiches sehr leicht Nahrung herange
schafft werden konnte, hätte kein Bauer der Hradani so viele Mäuler
aus dem Ertrag von so wenig Ackerland stopfen können.
Diese Menschen jedoch schafften es, und er nahm sich vor, seinem
Vater vorzuschlagen, sich ein paar Ackerbau-Experten der Axtmän
ner zu Hilfe zu holen. Doch ebenso bemerkenswert wie die Land
wirtschaft war die Art, wie die Gemeinden die Hochstraßen in ihrer
Umgebung schneefrei hielten. Letztlich jedoch musste Bahzell ein
räumen, dass der klare Himmel, die Sonne und die Qualität der
Straßen nur zum Teil dafür verantwortlich waren, wie angenehm
diese Reiseetappe verlief. Herr Charrow hatte ihnen erheblich mehr
Unterstützung gewährt, als es Bahzell recht war. Allerdings dachte
der Pferdedieb gar nicht daran, sich darüber zu beschweren.
Herr Yorhus befehligte die Eskorte. Offensichtlich beabsichtigte
der Ritterkommandeur, die Schmach von sich zu waschen, die er
mit seiner Verachtung dem Hradani-Paladin gegenüber auf sich ge
laden hatte. Seine Aufmerksamkeit war beinahe schon aufdringlich,
und seine unablässigen, lästigen
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