Weber David - Schwerter des Zorns - 2
aufzuwärmen. Was kein echter Ritter jemals täte«,
antwortete Kaeritha in einem spitzbübisch sittsamen Tonfall.
Bahzell lachte leise und Kaeritha lächelte ihn strahlend an. In dem
helleren Licht des Arbeitszimmers sah Bahzell die blasse Narbe auf
ihrem Gesicht, das Zeugnis einer tiefen Wunde, die von der rechten
Wange ihres ovalen Gesichts bis zu ihrem Hals hinunterlief. Eine an
dere führte von ihrer Stirn bis zu ihrem Haaransatz, und eine er
schreckend weiße Haarsträhne verriet den weiteren Verlauf über
den Schädel. Trotz der Narben war ihr Gesicht jedoch ebenso attrak
tiv wie ihr Lächeln. Dann jedoch wurde ihre Miene wieder ernst.
»Im Gegensatz zu den meisten Ritterorden stand unser Orden
schon immer den Frauen offen«, meinte sie. »Das hat zum Beispiel
im Reich des Speeres einige Probleme mit sich gebracht. Dort ist al
lein die Vorstellung, dass eine Frau sich im Gebrauch von Waffen
ausbilden lässt, schon ein Tabu. Tomanâk war bei der Gründung
seines Ordens in diesem Punkt jedoch ziemlich eindeutig.«
Sie hielt inne und Bahzell nickte. Er dachte unwillkürlich an Za
rantha. Es schien ein Glücksfall, dass Herzog Jashân seinem Nach
folger, ob nun ein Mädchen oder nicht, eine Ausbildung hatte ange
deihen lassen, die seine Standesgenossen entsetzt hatte. Ohne diese
Ausbildung hätte Zarantha weder den Dolch gehabt, der ihr in der
Nacht, als Bahzell sie kennen lernte, das Leben gerettet hatte, noch
hätte sie Tothas' Armbrust beim Kampf gegen die Wolfsbrüder im Lachenden Gott einsetzen können. Aber Kaeritha hatte Recht. Allein
die Vorstellung, dass eine Frau Kriegerin werden wollte, ganz zu
schweigen davon, dass sie zum Ritter geschlagen werden könnte,
würde den meisten adligen Speermännern wie eine Abnormität vor
kommen.
»Trotz Tomanâks Dekret jedoch treten verhältnismäßig wenige
Frauen unserem Orden bei«, fuhr Kaeritha fort. »Ich wäre über
rascht, wenn wir zu irgendeinem Zeitpunkt mehr als zwei Prozent
weibliche Ritter gehabt hätten.« Sie schaute Terrian auffordernd an,
als wollte sie seine Bestätigung hören. Der Rittergeneral reagierte
mit einer kurzen Handbewegung.
»Ich habe die Zahlen nicht überprüft, aber ich glaube, dass Ihr
Recht habt. Vermutlich liegt Ihr mit Eurer Schätzung sogar noch zu
hoch«, fuhr er fort und sah Bahzell an. »Das liegt nicht etwa daran,
dass wir Frauen entmutigen, das Schwertgelübde auf Tomanâk ab
zulegen, obwohl das vermutlich einige unserer Brüder unter der
Hand versuchen. Es äußern einfach nur wenige Frauen den Wunsch,
den Weg des Schwertes zu gehen, und wir haben eine Menge Män
ner unter uns, die der Meinung sind, es stünde ihnen auch nicht gut
an. Der Hauptgrund für den niedrigen Anteil von Frauen unter un
seren Kämpfern ist jedoch ein anderer. Die wenigen Frauen, die ge
gen alle Widerstände einem militärischen Orden beitreten wollen,
wenden sich entweder der Schwesternschaft der Lillinara oder den
Äxten der Isvaria zu.«
Er sah Kaeritha beinah herausfordernd an, die beiläufig mit einer
Achsel zuckte.
»Das stimmt. Ich selbst habe auch zuerst an die Schwesternschaft
gedacht. Vermutlich ist es nur natürlich, dass sich eine Frau eher zu
dem Dienst einer Göttin hingezogen fühlt, und sowohl die Schwes
ternschaft als auch die Äxte schlagen sich ebenso wacker im Feld
wie unser Orden. Oder irre ich mich, Herr General?«
Sie erwiderte Terrians Blick ebenso herausfordernd, und er lachte.
»Selbst wenn dem so wäre, ich hätte bestimmt nicht den Mut, das
offen zu äußern!«
»Offenbar wählt der Orden seinen Rittergeneral ebenso wegen sei
ner kriegerischen Fähigkeiten als auch wegen seiner Weisheit, Mil
ord«, gab Kaeritha zurück und lächelte, als er schmunzelte. Dann
richtete sie ihren Blick wieder auf Bahzell und wurde ernst.
»Wie ich sagte, ich fühlte mich anfangs sehr stark zur Schwestern
schaft hingezogen. Ich entstamme einer Bauernfamilie aus Moretz,
Bahzell, und mein Leben ist eher … unerfreulich verlaufen.« Ihre
blauen Augen verdunkelten sich, während sie ruhig weitersprach.
»Mein Vater stammt aus Esgan und konnte sehr gut mit Pferden
umgehen. Deshalb hat er viele Jahre für einen Händler in Hildarth
als Kutscher gearbeitet. Ich kann mich kaum noch an ihn erinnern.
Ich glaube, er war ein guter Mann, aber er wurde von Briganten er
mordet, als ich drei oder vier Jahre alt war. Und meine Mutter …«
Sie hielt inne und zuckte einmal mit dem Kopf. »Meine Mutter hatte
ihr Dorf verlassen, als sie ihn heiratete.
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