Weber David - Schwerter des Zorns - 2
den Rücken. Er sah die finsteren Erinnerungen
in ihrem Blick, der gerade still und dunkelblau wie der tiefste Ozean
war – und verstand. Lillinara war die Schutzpatronin aller Frauen,
der unbekümmerten Jungfrauen, der liebenden Mütter und … der
erbarmungslosen Rächerinnen.
»Dann wurde mir etwas klar«, fuhr Kaeritha leise fort. »Etwas, das
mir Seidan und Marja und Mistress Sherath und Dame Chaerwyn
fast sechs Jahre lang versucht haben beizubringen.« Sie lehnte sich
auf ihrem Stuhl zurück und schaute diesmal nicht Bahzell, sondern
Herrn Yorhus an.
»Rachsucht ist wie ein leise schleichendes Gift«, erklärte sie. »Und
dieser Durst nach Rache hätte mich zur Schwesternschaft geführt.
Ich wollte, dass die Silberne Herrin mein Schwert anerkannte, damit
ich es gegen Männer einsetzen konnte, die meine Mutter zur Hure
gemacht und versucht hatten, mir dasselbe anzutun. Es spielte keine
Rolle, dass diese Männer in Moretz lebten. Jeder Mann, der sich ge
genüber irgendeiner Frau etwas herausnahm, hätte mir genügt,
denn ich wollte keine Gerechtigkeit, sondern einen Vorwand für
meine Rache.«
Yorhus zuckte zusammen und schlug die Augen nieder, als könn
te er ihren Blick nicht länger ertragen. Sie sah ihn eine Weile an und
wandte sich dann wieder Bahzell zu.
»Mir war klar, dass ich mein Gelübde an die Schwesternschaft aus
den falschen Gründen abgelegt hätte, selbst wenn sie angenommen
hätten, wessen ich mir nicht einmal sicher bin. Außerdem wusste
ich, dass alles, was meinem Vater, meiner Mutter, meiner Schwester
und meinem Bruder widerfahren war, und auch mir, dass dies im
mer und immer wieder anderen zustoßen würde. Es würde einfach
so weitergehen, bis jemand dem Einhalt gebot. Das war es, was mir
wichtig sein sollte. Ich sollte dem Unrecht Einhalt gebieten, wann
und wo ich es vermochte. Statt mich an Männern zu rächen, die
nichts mit dem zu tun hatten, was mir zugestoßen war, ganz gleich,
was sie anderen zugefügt haben mochten. Meine Aufgabe war es zu
verhindern, dass diese Dinge anderen zustießen und zwar, indem
ich Gerechtigkeit walten ließ, nicht Rache übte, wenn sie das Un
recht begangen hatten. Als mir das klar wurde«, sie hob die Hände,
»gab es nur einen Orden, dem ich mein Schwert weihen konnte.«
»Ich nehme an, Dame Chaerwyn war darüber sehr erfreut«, mein
te Bahzell nach einer kleinen Pause.
»Das war sie allerdings!« kam Herr Terrian Kaeritha zuvor. Die
blauen Augen funkelten ihn böse an, aber er schüttelte nur lächelnd
den Kopf. »Allerdings war sie wohl schwerlich auf den Wirbelwind
vorbereitet, den sie sich mit Kaeritha Seldanstochter einhandelte.
Versteht Ihr, kaum hatte Kerry die erforderliche Schildwache über
ihre Waffen gehalten und war zum Ritter geschlagen worden, da
tauchte Tomanâk Höchstselbst auf und beförderte sie geradewegs
vom Ritterprobanden zum Paladin.«
»So einfach war das gar nicht«, widersprach Kaeritha gepresst.
»Ach nein? Ich glaube schon«, erwiderte Terrian unbeeindruckt
von ihrem Ton. »Ich habe Chaerwyns Beschreibung dieser Angele
genheit in meinen Akten, wenn Ihr Eurem Gedächtnis auf die
Sprünge helfen wollt, Kerry. Also dürftet Ihr mich wohl kaum so
weit einschüchtern können, dass ich meine Geschichte korrigiere.«
»Ihr seid ein hoffnungsloser Fall, Terrian. Wisst Ihr das?« fragte
Kaeritha.
»Irgendwo habe ich das schon einmal sagen hören«, erwiderte der
Rittergeneral gelassen, und Bahzell lachte.
»Aye, und sicher mit gutem Grund«, bemerkte er, stellte seinen
leeren Humpen beiseite und lächelte Kaeritha an.
»Ich bin sehr dankbar für deine Geschichte, Schwertschwester,
und fühle mich geehrt, weil du sie mir erzählt hast. Aber mich be
schäftigt noch etwas anderes. Herrn Charrow zufolge gibt es nur
achtzehn Paladine in ganz Norfressa.« Er spitzte fragend die Ohren,
und Kaeritha nickte bestätigend. »In diesem Fall drängt sich mir un
willkürlich die Frage auf, warum wohl zwei von uns vor demselben
Feuer sitzen und Apfelmost trinken, während sich gleichzeitig und
natürlich ›rein zufällig‹ der letzte Weiße Zauberer, Wencit von Rûm,
vor demselben Feuer wärmt wie wir. Zweifellos meldet sich da der
misstrauische, unzivilisierte Barbar in mir, aber ich habe das seltsa
me Gefühl, dass es einen Grund dafür gibt.«
»Natürlich gibt es einen Grund«, erwiderte Kaeritha gelassen.
»Du, Brandark – und Vaijon – Ihr seid auf dem Weg nach Hurgrum.
Wencit hat zufällig etwas in einer Stadt in der Nähe zu
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