Wechsel-Wind
Gespenstern!« rief Karen. »Glaub ihnen kein Wort!«
Mit einemmal stand eine verkleidete Frau an der Straße, die Mary sofort erkannte. »Ach, da ist ja meine Patentante«, sagte sie. »Laßt uns mit ihr schwatzen.«
Woofer knurrte laut.
»Nein«, antwortete Jim grimmig.
»Aber wir können sie doch nicht hier zurücklassen!« protestierte Mary, löste ihren Sicherheitsgurt und stand auf.
»Sie ist nicht wirklich da«, sagte Jim beruhigend und trat fester aufs Gaspedal.
»Jim! Ich muß sagen, ich bin sehr erstaunt. Wie kannst du nur so herzlos sein?«
»Er hat aber recht, Mom«, sagte Karen. »Das ist nur der Zauberstaub. Das ist nicht deine Tante.«
Dann lag die Festwiese hinter ihnen, und der Lärm verebbte. Mary setzte sich wieder. »Natürlich kann sie es nicht gewesen sein«, stellte sie leise fest. »Aber sie sah so echt aus.«
»Ja, sie wirken wie aus Fleisch und Blut«, gab Mentia ihr recht. »Aber wenn man für sie anhält, dann kommt man nicht mehr von ihnen weg. Nicht von einem so großen Reinkarneval. Selbst wenn man sich einer Erscheinung entziehen kann, wartet schon die nächste auf einen. Wärt ihr zu Fuß gewesen, dann hättet ihr keine Chance gehabt zu entkommen; in eurem schnellen Fahrzeug wart ihr zum Glück zu schnell für sie. Darum habe ich euch verboten anzuhalten.«
»Das war in der Tat sehr vernünftig von dir«, mußte Jim zugeben. Auch Mary nickte anerkennend. Gesunden Menschenverstand – in den kommenden Stunden würden sie ihn bitter nötig haben.
Ein Berg erhob sich vor ihnen. »Das ist er«, erklärte Mentia.
»Da kommen wir nicht rauf«, wandte Jim ein und sah die Dämonin an. Dabei erhaschte er einen beträchtlichen Anteil ihres ohnehin sehr großzügigen Ausschnitts. Wohin war ihr Sweater verschwunden? Offensichtlich hatte sie sich auf magische Weise etwas Bequemeres angezogen. »Das hier ist ein Wohnmobil, kein Panzerwagen.«
»Dort drinnen ist der Dämonenpfad. Ich geleite euch hin. Darum bin ich bei euch.«
»Entschuldigung, das hatte ich ganz vergessen.« Noch eine Wirkung des Wahnsinnsstaubs? Nein, wahrscheinlich eher die Ablenkung durch Mentias zunehmend aufreizendes Äußeres. »Wo befindet sich der Eingang?«
»Folgt mir.« Sie schwebte von ihrem Sitz und durch die Windschutzscheibe, dann vor dem Wohnmobil her.
»Sehr beeindruckendes Wesen«, kommentierte Sean und starrte nach vorn hinaus.
»Aber nicht ganz dein Typ, hoffe ich«, erwiderte Mary mit gewisser Schärfe.
Sean erhob keine Einwände, aber ganz klar war er der Meinung, daß eine Frau, die so beeindruckend aussah, auch sein Typ sein mußte. Jim konnte es seinem Sohn kaum verübeln; die Dämonin hatte gerade soviel Holz vor der Hütten, daß die männliche Vorstellungskraft nicht über die natürlichen Grenzen hinaus strapaziert würden. Wesen, die sich ihr äußeres Erscheinungsbild selbst aussuchen konnten, wählten für gewöhnlich etwas angemessen Beeindruckendes. Auch Chlorine besaß ein ausgesuchtes Aussehen.
Tatsächlich war Jim ein wenig erleichtert über Seans Reaktion, denn seit dem Zwischenfall am Kobolddamm war der Junge ein wenig zu still gewesen und hatte nur wenig Interesse für seine Umgebung aufgebracht. Jim befürchtete, sein Sohn könnte einen Schock oder eine andere nicht offen zutage tretende Verletzung erlitten haben, als das Wasser ihn davonschwemmte. Nun wurde er langsam wieder der alte, und das war ein gutes Zeichen.
Mentia führte sie zu einem riesigen uralten Baum und deutete auf den Stamm. Jim, der mit solchen Wegen überhaupt keine Erfahrung besaß, steuerte das Wohnmobil dicht an den Baum heran. Dabei schien der Stamm sich zu weiten, und der Wagen ließ sich hineinsteuern. Es handelte sich folglich um eine durch eine Illusion getarnte Öffnung. Um eine Einfahrt in den Berg.
Das Wohnmobil fuhr in einen dunklen Tunnel, und Jim schaltete die Scheinwerfer ein. Die Lichtkegel durchbohrten Mentias Kleidung und enthüllten die Umrisse ihres wohlgeformten Körpers. Dann aber verdichtete sich die Kleidung, und der Effekt verlor sich. Die Dämonin schwebte zurück durch die Scheibe und setzte sich wieder auf ihren Platz.
»Der Weg führt innerhalb des Bergs spiralförmig nach oben. Fahr einfach weiter.« Sie zögerte. »Diese hellen Lichter haben mich überrascht. Was hast du gesehen…?« fragte sie.
»Nur Umrisse, keine Wäsche«, antwortete Jim leise, aber rasch.
Sie entspannte sich. »Wir versuchen uns an die Traditionen zu halten und zeigen unsere Unterwäsche nur
Weitere Kostenlose Bücher