Wechsel-Wind
dem Schluß, daß es sich dabei nicht um einen Vögel handelte. Sie entspannte sich.
Dad fuhr langsam an das wenigstens vier Meter hohe Monstrum heran und blieb einige Wagenlängen entfernt stehen. Dann kurbelte er die Scheibe herunter und sprach den Wächter des Feldes an. »Äh, hallo. Wir werden von einem gewaltigen Rokhweibchen verfolgt, und vielleicht interessiert dich das; schließlich bist du doch ihr natürlicher Feind. Kann ich dich davon überzeugen, uns zu helfen?«
Die Vogelscheuche beugte sich ein wenig vor und schien ihn fragend anzusehen. Dad überlegte einen Augenblick und reichte ihr dann einen alten Nylonkamm.
Die Vogelscheuche nahm den Kamm entgegen. So etwas war ihr offenbar noch nicht untergekommen, und damit schien ihr Interesse geweckt. Sie steckte ihn sich in die zerlumpte Jacke und nickte. Dann sah sie zu dem Rokhweibchen auf, das weit über ihnen schwebte. Sie bückte sich, hob einen Stein auf und schleuderte ihn nach dem Riesenvogel. Das Geschoß traf, wütend schaute das Rokhweibchen nach unten und erblickte die Vogelscheuche, welche, die Arme schwenkend, in seine Richtung eilte. Uralte Rassenerinnerungen setzten schlagartig ein, und der Vogel ergriff kopflos die Flucht.
Karen kicherte. »Das soll ihm eine Lehre sein.«
»Scheußlich«, meinte Sean. Er sah Mom an, die die gewaltige Strohpuppe mit Blicken ansah, aus denen Beklommenheit sprach.
Dad wendete und machte sich auf den Rückweg zur Trollstraße. »Den Schutz des Zaubers auf dieser Straße weiß ich wirklich immer mehr zu schätzen«, sagte er. »Jedesmal, wenn wir seinen Wirkungsbereich verlassen, geraten wir in Schwierigkeiten.«
»Außer bei den Imps«, erinnerte ihn David.
»Ja, außer bei den Imps«, stimmte Dad zu und erhöhte das Tempo. »Wir sind nun nahe an der Grenze von Xanth. In ein paar Stunden sind wir wieder zurück in der normalen Welt. Trotzdem frage ich mich…«
»Dann müssen wir uns von Chlorine verabschieden«, sagte Sean, entsetzt über die Erkenntnis. »Und von Nimby«, fügte er rasch hinzu.
»Die uns ebensosehr geholfen haben wie die Imps«, sagte Mom.
»Denkt außer mir noch jemand, was ich denke?« fragte Dad.
Mit einemmal war Sean sehr aufmerksam. »Wenn – wenn du daran denkst, Xanth nicht sofort zu verlassen?«
»Aber wir müssen nach Hause«, protestierte Mom. »Wir kommen auch so schon zu spät.«
»In die Schule«, sagte Karen und verzog das Gesicht.
»Zur Hausarbeit«, sagte David.
»Ins Institut«, sagte Dad.
»An den Schreibtisch«, sagte Mom. »Nun liebe ich meine Arbeit, archaische Sprachen zu erforschen, zwar wirklich, aber hier mag sich eine Gelegenheit für einzigartige Studien ergeben. Vielleicht ist es euch allen entgangen, aber wir sprechen nicht mehr Englisch; wir sprechen die universelle Zaubersprache Menschen-Xanthisch, und die Tiere sprechen die universelle Tiersprache Tier-Xanthisch. Eigentlich sollte ich mir diese einmalige Chance nicht entgehen lassen.«
Sean grinste. »Mom hatte schon immer gewisse Verständigungsprobleme. Was sie sagen will, ist, daß sie sich am liebsten noch eine Weile hier herumtreiben würde.«
»Yeah!« rief Karen und klatschte in die Hände.
Dad sah Mom an. »Wenn du die Gelehrte herauskehrst, hast du immer einen Beweggrund aus dem Bauch heraus. Also, was ist es diesmal? Schließlich warst du weder von dem Fleischschauer noch von den Harpyienbomben besonders angetan.«
»Mir geht es um die Imps«, bekannte Mom. »Sie waren so freundlich zu uns, obwohl wir sie zu einem Zeitpunkt aufgesucht haben, der ungünstiger nicht hätte sein können. Ich wünschte, wir könnten ihnen irgendwie helfen.«
»Aber dann würden wir in den Wahnsinnssturm geraten«, erinnerte Sean sie, obwohl er ebensogern wie die anderen in Xanth bleiben wollte. Aber Mom mußte sorgfältig gesteuert werden – man durfte ihr nicht allzu schnell zustimmen, sonst neigte sie dazu, »der Fairneß halber« plötzlich den entgegengesetzten Standpunkt zu beziehen.
»Ja. Dennoch scheint die gleiche Bedrohung allen Bewohnern von Xanth bevorzubestehen. Wäre es da von uns überhaupt richtig, wenn wir als einzige entkämen?«
Sie bat förmlich darum, überzeugt zu werden. Was würde da wohl ins Schwarze treffen? Da hatte Sean eine Idee. »Fragen wir doch die Tiere.« Bevor jemand einen Einwand erheben konnte, sprach er sie bereits an. »Was sagt ihr denn dazu? Möchtet ihr gern noch länger in Xanth bleiben?«
Alle drei nickten. Aber das reichte möglicherweise noch nicht
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