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Wechsel-Wind

Titel: Wechsel-Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
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könnte genausogut in meiner natürlichen Gestalt vor dir stehen, wo meine Schlüpfer sich nicht einmal den Anschein gaben, für irgend jemanden interessant zu sein – und schon gar nicht jemanden umhauen.« Sie holte sich den Unterrock zurück und zog ihn wieder über. »Nimby, ich entschuldige mich, daß ich dich zu dieser peinlichen Farce gedrängt habe. Ich werde das nie wieder tun. Ich könnte vor Verzweiflung weinen – aber selbst das darf ich nicht riskieren.«
    Nimby wirkte überaus besorgt und setzte an, eine weitere Nachricht zu schreiben.
    »Nein, laß das sein«, verbot sie ihm fest. »Versuche mir nicht etwas zu sagen, von dem du glaubst, daß ich mich davon besser fühle. Überlassen wir die Illusionen denen, die es nicht besser wissen.«
    Nimby schaute traurig drein, aber er ließ das Notizbuch verschwinden.
    Chlorine nahm ihre restliche Kleidung und zog sie wieder an. »Aber ich möchte dir sagen, daß ich dich mag, Nimby, und dich respektiere. Wenn du ein echter Mann wärst, dann hätte ich es mit dir getan. Selbst wenn du ein Beinahe-Mann wärst, ein Teufel oder vielleicht ein Dämon. Die Dämonen wissen die sterblichen Frauen zu schätzen, wenigstens in körperlicher Hinsicht. Aber ein Drache? Dir muß all das unfaßbar lachhaft erscheinen. Deshalb werde ich dich nicht mehr langweilen; soviel bin ich dir schuldig. Du hast dich wirklich gut gehalten.«
    Ihre Kleidung hatte sie geordnet, und nun machte sie sich an ihr Haar. Dann, auf einen plötzlichen Impuls hin, ging sie zu Nimby und umarmte ihm. »Danke, daß du mein Freund bist«, sagte sie und drückte ihm einen Kuß auf die Lippen. Die beiden Tränenhälften in ihren Augen sammelten sich, aber glücklicherweise rannen sie nicht aus ihren Stellungen.
    Nimby erstarrte. Seine Augen wurden glasig. Haute sie ihn doch noch um? Aber nach einem halben Moment faßte er sich und schrieb ihr: ›Mehr als gern geschehen, Chlorine.‹
    Sie lächelte. »Wenigstens verstehen wir einander. Vielleicht ist das wichtiger als alles andere.«
    Er nickte, und trotzdem wirkte er wie jemand, der kurz vor einer phänomenalen Errungenschaft stand und sie dann doch noch verlor. Vielleicht hätte sie die Storchroutine mit ihm doch durchführen sollen, nachdem sie ihn so aufgereizt hatte. – Nein; sie hatte alles gegeben, um das Richtige zu tun: die Storchroutine für einen Mann aufzusparen, den sie wirklich liebte, anstatt es in einem Spielchen zu vergeuden.
    Vollkommen erhaben über ihre sorgenvollen Gedanken, trieb die Wolke weiter.
    Bald schrieb Nimby: ›Wir sind da.‹
    »Schon?« wunderte sich Chlorine. Dann wurde ihr klar, in welch gewaltigem Tempo die Wolke sich bewegt hatte. Folglich war die Gelegenheit, etwas Unanständiges zu tun, zunächst einmal vorbei. Chlorine bedauerte dies und ärgerte sich darüber, obwohl sie die Entscheidung doch schließlich selbst getroffen hatte.
    Nimby kletterte durch das Kuppelfenster aufs Dach und streckte eine Hand zu Chlorine hinunter. Damit zog er sie nach oben; seine beiläufige Kraft erstaunte sie, dann fiel ihr wieder ein, daß er ja ein Drache war. Sie hockten sich auf das Dach, und Chlorine sah, daß die Wolke tatsächlich mit beträchtlicher Geschwindigkeit dahinraste. Der Wind wehte nun stärker; die Wolkenwände hatten sein Heulen gedämpft, und irgendwann hatte Chlorine nicht mehr darauf geachtet. Und noch immer wurde der widrige Wind stärker.
    Nimby streckte sich aus und ergriff einen starken überhängenden Ast. Einen Fuß hakte er in die Oberseite der Wolke, so daß sie auf der Stelle festgehalten wurde. Aber sie sank auch nicht zu Boden. Sie schwebte nach wie vor zwei Mannslängen über dem Boden. Dieser Ogerfresser muß ganz schön groß gewesen sein, dachte Chlorine. »Wie kommen wir auf den Boden?« fragte sie.
    Nimby nickte in Richtung auf seine Beine. Das erforderte ein gewisses Maß an Interpretation. Würde er hinunterklettern? Er schüttelte den Kopf, und Chlorine erinnerte sich – wieder einmal –, daß er ihre Gedanken zu lesen vermochte. Also hatte sie nicht mehr zu tun, als den richtigen Gedanken zu denken.
    Sie hieß ihren brillanten Verstand, sich mit dem Problem zu befassen. Es mußte etwas mit seinen Füßen zu tun haben. Sollte sie sie von der Wolke lösen? Nein, dann würde sie allein mit der Wolke davongeweht werden. Es sei denn, sie klammerte sich an Nimbys Beine. Aha! Sie konnte an seinen Beinen hinunterschwingen – dadurch hinge sie so dicht über dem Boden, daß sie sich gefahrlos

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