Weck mich am Arsch!
Bei seiner Erfindung tröpfelte aus einer Amphore Wasser in eine zweite, welche ab einer gewissen Füllhöhe umkippte und ihren Inhalt mit Schwung in eine dritte Amphore ergoss. Die Luft, die daraus entwich, strömte dann durch eine Pfeife und gab einen sehr lauten Ton von sich. Platos Erfindung diente in erster Linie zur Begrenzung der Redezeit von Debattierenden und das Aufwecken der eingeschlafenen Zuhörer war wohl eher ein Nebeneffekt.
Das kann man von jener Apparatur, deren Baupläne von der Nachwelt Leonardo da Vinci zugeschrieben werden, nicht behaupten. Laut Konstruktionszeichnung funktioniert dieses Gerät ebenfalls mit einer Art Wasseruhr und zieht nach Ablauf eines festgelegten Zeitraums wahlweise dem Schlafenden die Bettdecke weg oder hebt ihn mitsamt Bett in die Luft und lässt ihn anschlieÃend auf den Boden krachen. Bei allem Respekt, ich halte diese Erfindung für ausgemachten Blödsinn. Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, dass sich ein so ausgeschlafener Geist wie Leonardo da Vinci in aller Ernsthaftigkeit mit dem Wecken schlafender Menschen beschäftigte. Ist es nicht viel wahrscheinlicher, dass sich das Universalgenie einfach einen Scherz erlaubt hat, als er die Idee zu dieser seltsamen Apparatur für die Nachwelt zu Papier brachte?
Wie dem auch sei, ernst wurde es spätestens, als die beiden Familienbetriebe Junghans aus dem Schwarzwald und Seth Thomas aus Conneticut den Wecker so preiswert machten, dass ihn sich fast jeder leisten konnte. Wie eine Seuche verbreiteten sich die kleinen Monster und bereits um 1900 besaà nahezu jeder Haushalt in Europa und in Amerika sein eigenes Folterinstrument. Möglich wurde dies, indem man das Uhrwerk nicht mehr wie bis dato üblich auf einem Holzbrett, sondern auf einer Metallplatine verschraubte und die Geräte mit Maschinen statt von Hand fertigen lieÃ. Und wer hatâs erfunden? Nein, diesmal waren es nicht die Schweizer, sondern der Amerikaner Seth Thomas. Die Deutschen kamen seinerzeit auf das Erfolgsrezept, indem sie den jüngsten Sprössling der Familie, Arthur Junghans, zur Spionage in die USA schickten. Dort verdiente der 20-Jährige, als »Herr Hauff« getarnt, seinen Unterhalt mit dem Reinigen der Thomasschen Fabrikhallen. Dadurch hatte er Nacht für Nacht freien Zugang zu den neuesten Fertigungsmaschinen und konnte in aller Ruhe deren Pläne kopieren. Nach knapp zwei Jahren kehrte er zurück in seine Heimat, krempelte den Familienbetrieb um und machte ein Vermögen.
Die Geschichte des Weckers war damals wie heute eine Geschichte verrückter Ideen. Im Jahre 1909 versuchte ein gewisser Bernhard Birkenfeld aus Münster, da Vincis Konzept zu Geld zu machen. Er meldete beim kaiserlichen Patentamt eine Weckvorrichtung an, »bei welcher der zu weckenden Person die Bettdecke durch ein mittels einer Weckuhr ausgelöstes Federwerk entzogen wird«. Ein anderer, der Rostocker Andreas Barmann, ersann im gleichen Jahr eine Maschine, bei der »unter Wirkung vorgesehener Federn« das Bettkopfteil nach oben schnellte und den Schlafenden so von jetzt auf gleich aus seinen Träumen katapultierte. Es vermag kaum zu verwundern, dass sich bei beiden kein finanzieller Erfolg einstellen wollte.
Umso mehr erstaunt es, welche Wecker heutzutage wahre Verkaufsschlager sind. Als ob unsere Gesellschaft mit der Zeit immer gefühlsärmer zu werden scheint. Oder wie soll man sich sonst erklären, dass sich gerade ein Wecker namens Sonic Bomb besonders gut verkauft? Ein Gerät, dessen Hersteller ihn als den »Presslufthammer unter den Weckern« bezeichnen?
Wecker sind grundsätzlich heimtückisch, daher sollte man sich auch nicht von Geräten täuschen lassen, an denen man angeblich seinen Frust abreagieren kann. Sie sehen aus wie Hand granaten oder â in der Variante für friedliebende Menschen â wie Tennisbälle, sind nahezu unkaputtbar und reagieren auf Bewegung. Wenn man seinem morgendlichen Frust über die frühe Alarmzeit mit einem beherzten Wurf gegen die Wand Ausdruck verleiht, könnte man tatsächlich meinen, dieser Wecker sei von einem verständnisvollen Langschläfer konstruiert worden. Doch das täuscht. Durch den Wurf unterbricht der Wecker lediglich für kurze Zeit sein nervtötendes Gepiepse, um dann irgendwo auf dem Zimmerboden von Neuem zu beginnen. Und dann muss man aufstehen, um dem Dauerpiepsen eine Ende zu bereiten.
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