Weck mich am Arsch!
brutalsten Wachmacher vorgestellt wären, der irrt. Es geht noch schlimmer, wie ein Gerät namens Shocking eindrucksvoll demonstriert. GroÃe Zeiger, rundes Gehäuse und zwei Glocken rechts und links obenauf geben Shocking das vertrauenswürdige Aussehen eines Retroweckers. Doch vom Aussehen sollte man sich bei Weckern niemals täuschen lassen. Je harmloser sie daherkommen, desto gefährlich sind sie. Shocking, zum Beispiel, weckt nicht nur mittels Alarmton, sondern vor allem über einen kleinen Stromschlag, den man bekommt, wenn man das Teil ausschalten möchte. Auch wenn Wecker grundsätzlich unfair kämpfen, da sie angreifen, wenn man schläft, â dieses Gerät schlägt dem Fass den Boden aus. Es ist so menschenverachtend, dass es auf die Genfer Liste geächteter Kriegswaffen gehört!
Nimmt Shocking unter den Weckern den Platz ein, den Scream unter den Horrorfilmen hat, kann man das folgende Gerät am besten mit Saw vergleichen. Ãbelster psychologischer Horror. SnuzNLuz packt den Schläfer dort, wo es am meisten wehtut â am Portemonnaie. Und das funktioniert folgendermaÃen: Man bekommt SnuzNLuz von einem »guten Freund« zu irgendeinem Anlass geschenkt und hat vielleicht nicht den Mumm zu sagen: »Ein Wecker? Wie kommst du denn auf so eine bescheuerte Idee?« Stattdessen »freut« man sich, tut neugierig, folgt der Betriebsanleitung, gibt dem Gerät unvorsichtigerweise seine Bankdaten preis und wählt aus den vielen voreingestellten gemeinnützigen Institutionen jene aus, der man garantiert nichts spenden möchte. Und schon ist es zu spät. Einmal ein gestellt, stellt dieser Wecker eine Internetverbindung her und überweist der ausgewählten Organisation eine Spende von min destens zehn Dollar, immer dann nämlich, wenn man die Snooze- Taste drückt.
Wir Europäer können darüber noch lachen, denn bisher gibt es nur eine amerikanische Version und die kann einem deutschen Bankkonto nicht gefährlich werden.
Es klingt wenig plausibel, aber unter den Ingenieuren, die sich mit der Entwicklung und Herstellung moderner Wecker beschäftigen, scheint es durchaus ein paar Menschenfreunde zu geben. Diesen Eindruck kann man zumindest bekommen, wenn man sich Erfindungen wie den Schlafphasenwecker anschaut. Er ist zwar immer noch ein Wecker und damit ein Werkzeug des Bösen, aber er versucht, den Schlafenden so sanft zu wecken, dass ihm ein Mindestmaà an Menschenwürde erhalten bleibt. Zumindest theoretisch. Zur Erklärung dieser Geräte bedarf es einer kurzen Erläuterung des Phänomens Schlaf:
Während man schläft, durchläuft man in der Regel zwei Leichtschlafphasen, zwei Tiefschlafphasen und die sogenannte Rapid-Eye-Movement-Phase (kurz: REM ). Im Ãbergang der einzelnen Schlafphasen gibt es immer wieder Fast-Wach-Momente, also Zeiten, in denen unsere Schlaftiefe gering ist, in denen wir uns umdrehen, die Decke höher ziehen oder unseren Bettnachbarn treten. Schlafphasenwecker erkennen solche Fast-Wach-Momente mittels Elektroden oder Bewegungsmelder und hindern uns durch einen gewöhnlichen Alarmton am Wiedereinschlafen. Man gibt bei diesem Wecker also keine feste Uhrzeit, sondern einen Zeitraum ein, in dem das Gerät den besten Augenblick des Aufweckens auswählt. Waren Schlafphasenwecker bislang noch ein teures Vergnügen, versprechen Apps wie Sleep Cycle den gleichen Effekt mithilfe eines Smartphones. Wochenlang war das Programm auf Platz eins in der Liste der meistverkauften Apps in Deutschland, auch wenn skeptische Stimmen behaupten, dass der Bewegungsmelder eines Smartphones für das Aufspüren der Fast-Wach-Phasen nicht wirklich geeignet sei.
Eine weitere Gattung von Weckern, die schmerzfreies Aufwachen versprechen, sind die Lichtwecker oder Dämmerungssimulatoren. Diese Geräte nutzen lediglich als »Ultima Ratio« einen herkömmlichen Alarmton, nämlich dann, wenn die langsam ansteigende Helligkeit des Weckers erfolglos bleibt. Der Hersteller preist diese Methode als »sanft und natürlich« und zeigt einmal mehr, wie zu viel frühes Aufstehen das Denkvermögen beeinträchtigt.
Denn egal, wie sanft Lichtwecker, Schlafphasenwecker & Co. auch sein mögen: Wecken bleibt Wecken, das merkt man spätestens, wenn der Alarmton klingelt, man die Augen aufmacht und auf ein Neues feststellt, dass das Leben so schön sein könnte, wenn die frühen Vögel
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