Weg damit
Welches Teil hatten Sie schon seit mindestens einem Jahr nicht mehr an? Stecken Sie es in den Altkleidersack.
Sammeln, Horten, Wegwerfen
Hängen Sie sehr an Ihrem Besitz? Fällt es Ihnen schwer, etwas wegzuwerfen, was man eigentlich noch gebrauchen könnte? Werden Sie schwach, wenn Sie über einen Flohmarkt schlendern? Oder sind Ihnen die Dinge eher lästig, trennen Sie sich leicht von ihnen?
Was sammeln Sie? Briefmarken, Telefonkarten, Swatch-Uhren, Pokémon-Bilder, Parfumflakons, Kochbücher oder Elefanten? Dass der Mensch sammelt, ist zunächst einmal ziemlich normal. Der Sammeltrieb leitet sich vom Instinkt unserer Vorfahren ab, sich auf schlechte Zeiten vorzubereiten und sich zu schützen. Und was schlechte Zeiten bedeuten, können uns unsere Großeltern und Eltern noch erzählen. Damals hatte jeder alte Nagel, jede Blechbüchse noch einen Wert: »Das kann man alles irgendwann noch mal gebrauchen« - dies ist die Haltung der Generationen, die Kriege überstanden haben und den Wert banaler Dinge zu schätzen wissen.
Aber nicht nur diese Generationen sammeln und horten: Ich treffe immer mehr junge Leute, die nichts wegwerfen können und die Dinge so horten, als stünde ein Krieg unmittelbar vor der Tür. Und umgekehrt: Als mein Großvater aus der russischen Gefangenschaft nach Hause kam, entrümpelte er seinen Speicher mit den Worten: »Das habe ich in Russland nicht vermisst, also brauche ich es hier auch nicht.« Mit dem »Kriegsargument« kann man das Sammelverhalten der Menschen also nicht hinreichend erklären.
Sammeln schafft Sicherheit
Der Mensch sammelt, weil ihm die Dinge scheinbare Sicherheit geben. Dinge wegzuwerfen hieße, sich in Unsicherheit zu begeben, und das macht vielen Angst. Wir haben Angst, alte Situationen zu verlassen. Das Alte ist vielleicht nicht unbedingt das, was wir uns wünschen, aber es erscheint uns sicher, weil wir es kennen. Mit allem Neuen jedoch ist immer ein großes Maß an Unsicherheit verbunden. Darum halten wir an den Dingen fest, ebenso
wie an Situationen. Der alte Job ist vielleicht nervig und stressig - aber wer weiß, ob der nächste Job nicht noch schlimmer wird?
Um eine bekannte Situation zu verlassen und seine Angst zu überwinden, braucht der Mensch Mut. Zum Mut muss man manchmal gezwungen werden. Wenn sich eine Situation aufgrund äußerer, nicht selbst gewählter Umstände verändert, kommt zunächst Panik auf. Der Mensch erkennt jedoch, dass er auch die neue Situation meistern kann - und daraus entsteht Mut. Wenn jemand oft umgezogen ist, seine Situation mehrmals verändert hat, weiß er, dass er an jedem neuen Ort glücklich werden kann. Jemand, der sich niemals aus einer alten Umgebung gelöst hat, wird viel mehr Angst haben vor einem Ortswechsel. Sammler und radikale Wegwerfer unterscheiden sich also nicht in Altersstruktur oder Lebenserfahrung; aber auch mit dem Geschlechtsunterschied kommt man hier nicht weiter: Denn ob Männer oder Frauen, beide Gruppen sammeln oder werfen gleich gern weg.
Zwischen den beiden Extremen Sammler und Wegwerfer habe ich bei meinen Untersuchungen die nachfolgenden Typen ausmachen können, die sich aber auch gegenseitig überlappen können - denn jeder von ihnen hat eigene Beziehungen zu den Dingen und eigene Strategien im Umgang damit:
• Typ »Ordentlicher Sammler«
• Typ »Chaotischer Sammler«
• Typ »Horter«
• Typ »Wegwerfer«
• Typ »Messie«
Ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben, zeigt diese kleine Typologie doch die ganze Bandbreite auf: Der ordentliche Sammler ist ein Pedant, dessen Gerümpelberge in Reih und Glied stehen. Der chaotische Sammler sammelt alles und weiß eigentlich nicht, wozu. Der Messie lebt auf und in einer Müllkippe und kommt ohne die Hilfe anderer nicht wieder heraus. Der »Zu schade zum Wegwerfen«-Typ entsorgt zwar Dinge, aber wenige und
nur mit großer Überwindung - ständig in dem nagenden Zweifel, ob er es nicht doch lieber hätte behalten sollen. Der »Alles weg«-Typ dagegen hasst alles Alte und versucht sein Leben nicht mit unnötigem Ballast zu beschweren. Er ist mehrmals umgezogen und weiß, was es bedeutet, wieder ausmisten zu müssen. Manchmal ist er mit dem Wegwerfen so schnell bei der Hand, dass er danach feststellt, er hätte das eine oder andere Objekt doch noch gebrauchen können. Generell vermeidet er den Besitz von Dingen, so gut es geht, weil er sich nicht von materiellen Dingen abhängig machen möchte. Er oder sie ist eher Asket.
Worin
Weitere Kostenlose Bücher