Weg der Träume
Sie es sich wahrscheinlich vorstellen, und auch nicht so, wie Miles glaubte. Ich hatte in jener Nacht nichts getrunken. Und auch keine Drogen genommen. Ich war völlig nüchtern.
Was Missy damals zustieß, war schlicht und einfach ein Unfall.
Ich habe ihn tausendmal durchlebt. In den sechzehn Jahren seither hatte ich immer wieder zu den merkwürdigsten Zeiten eine Art Déjàvu-Erlebnis - als ich vor einigen Jahren Umzugskartons in den Möbelwagen trug, zum Beispiel -, und dann blieb ich wie angewurzelt stehen und fühlte mich zurückversetzt an jenen Tag, an dem Missy Ryan starb.
Ich hatte seit dem frühen Morgen bei meinem Job in einem Lagerhaus Kisten auf Paletten gestapelt und hatte eigentlich um sechs Uhr Feierabend. Aber dann kam kurz vor Schluss noch eine verspätete Lieferung Plastikrohre - mein damaliger Arbeitgeber belieferte die meisten Geschäfte in North und South Carolina -, und der Boss fragte mich, ob ich nicht noch ungefähr eine Stunde länger bleiben könnte. Mir war das recht - es bedeutete Überstunden, anderthalbmal so viel Lohn wie sonst. Womit ich nicht gerechnet hatte, war, dass der Lastwagen übervoll war und ich die meiste Arbeit allein erledigen musste.
Eigentlich waren wir zu viert, aber einer hatte sich an diesem Tag krank gemeldet, und ein anderer konnte nicht bleiben, weil sein Sohn ein Baseballspiel hatte, das er nicht verpassen wollte. Damit waren wir noch zu zweit, und das wäre in Ordnung gewesen. Aber kaum war der Lastwagen gekommen, verknackste sich der Kollege den Knöchel, und im Handumdrehen war ich allein.
Es war heiß. Die Temperatur im Freien lag bei über dreißig Grad, und im Lagerhaus war es noch heißer, fast vierzig Grad und stickig. Ich hatte schon acht Stunden Arbeit hinter mir und noch drei vor mir. Den ganzen Tag waren Lastwagen auf den Hof gefahren, und weil ich nicht regelmäßig dort arbeitete, fand ich die Arbeit körperlich enorm anstrengend. Die anderen drei wechselten sich am Gabelstapler ab, damit sie ab und zu pausieren konnten. Ich nicht. Ich musste die Kisten sortieren und sie dann von der Ladefläche zur Tür schleppen und alles auf Paletten laden, damit die Gabelstapler sie an die richtige Stelle im Lagerhaus bringen konnten. Und nun musste ich alles allein machen, weil außer mir niemand mehr da war. Zum Schluss war ich fix und fertig. Ich konnte kaum noch die Arme bewegen, ich hatte Muskelkrämpfe im Rücken, und weil ich seit mittags nichts gegessen hatte, war ich völlig ausgehungert.
Deshalb beschloss ich, zu Rhetts Barbecue zufahren und nicht direkt nach Hause. Nach einem langen, harten Tag gibt es nichts Besseres auf der Welt als Barbecue, und als ich endlich in mein Auto kletterte, dachte ich nur noch daran, dass es mir in ein paar Minuten richtig gut gehen würde.
Mein Auto war eine echte Schrottmühle, überall verbeult und zerkratzt, ein Pontiac Bonneville mit einem Dutzend Jahre auf dem Buckel. Ich hatte ihn im Sommer zuvor gebraucht gekauft und nur dreihundert Dollar dafür bezahlt. Doch er fuhr erstklassig, ich hatte nie Probleme mit ihm. Der Motor sprang sofort an, und die Bremsen hatte ich nach dem Kauf gleich selbst erneuert. Mehr war nicht nötig gewesen.
Ich stieg also in mein Auto, gerade als die Sonne unterging. Zu dieser Tageszeit wechselt der Himmel fast minütlich die Farbe, Schatten gleiten wie lange, gespenstische Finger über die Straßen. Da an jenem Abend keine einzige Wolke am Himmel stand, gab es Momente, in denen das gleißende Licht schräg durch die Fenster einfiel und ich blinzeln musste, um zu erkennen, wohin ich fuhr.
Direkt vor mir hatte ein anderer Fahrer offenbar noch mehr Schwierigkeiten mit der Sicht als ich. Wer immer es war - einmal gab er Gas, dann wurde er wieder langsamer, und immer, wenn das Sonnenlicht aus einem anderen Winkel einfiel, trat er abrupt auf die Bremse. Mehr als einmal kurvte er über den Mittelstreifen auf die andere Straßenseite. Ich reagierte schnell und bremste auch, und schließlich hatte ich genug und beschloss, etwas mehr Abstand zu halten, da die Straße zu eng zum Überholen war.
Doch auch der andere wurde langsamer, und als sich die Distanz zwischen uns wieder verringert hatte, sah ich, dass die Bremslichter blinkten wie die Lichterketten an Weihnachten und dann plötzlich rot blieben. Ich drückte mit voller Kraft aufs Bremspedal, und mein Wagen kam mit quietschenden Reifen zum Stehen. Es waren sicher keine dreißig Zentimeter mehr bis zu seiner Stoßstange.
Das war der
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