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Weg der Träume

Weg der Träume

Titel: Weg der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Sparks
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Instinkt führte ihn bald zu dem marmornen Eingangsbogen des Cedar Grove Cemetery.
    Er parkte vor dem Friedhof und stieg aus. Dann ging er den gewundenen Pfad entlang zu Missys Grab. An dem kleinen Marmorstein lehnte ein Blumenstrauß. Wann immer er ans Grab kam, lagen Blumen darauf. Eine Karte steckte nie dabei, aber das war auch nicht nötig.
    Missy wurde auch im Tod noch geliebt.

Kapitel 21
    Als ich zwei Wochen nach Missy Ryans Beerdigung eines Morgens im Bett lag, hörte ich draußen einen Vogel zwitschern. Ich hatte das Fenster über Nacht offen gelassen, weil ich hoffte, die Luft würde endlich abkühlen und das Wetter weniger schwül werden. Seit dem Unfall schlief ich schlecht. Mehr als einmal wachte ich schweißnass auf klammen Laken und durchtränktem Kopfkissen auf. An diesem Morgen war es nicht anders, und während ich dem Vogel zuhörte, roch ich meinen Schweiß, der einen stechenden Ammoniakgeruch verströmte.
    Ich versuchte, den Vogel zu ignorieren - die Tatsache, dass er auf dem Baum saß, dass ich noch lebte und Missy Ryan nicht. Aber es war unmöglich. Er saß direkt vor meinem Fenster auf einem Ast und zwitscherte laut und durchdringend. Ich weiß, wer du bist, schien er mir zuzurufen, und ich weiß, was du getan hast.
    Ich fragte mich, wann die Polizei vor der Tür stehen würde.
    Es spielte keine Rolle, ob es ein Unfall gewesen war oder nicht, sie würden kommen, und zwar bald. Sie würden herausfinden, um welchen Autotyp es sich in jener Nacht gehandelt hatte, sie würden den Besitzer ermitteln. Jemand würde an die Tür pochen und Einlass verlangen. Sie würden den Vogel hören und wissen, dass ich schuldig war. Dieser Gedanke war lächerlich, ich weiß, aber in meinem halb verrückten Zustand glaubte ich daran.
    In meinem Zimmer hob ich den Nachruf aus der Zeitung auf, zwischen die Seiten eines Buches geklemmt. Ich hatte auch die Berichte über den Unfall ausgeschnitten, sie lagen säuberlich gefaltet darunter. Das war gefährlich. Jeder, der zufällig das Buch aufschlug, würde sie finden und Bescheid wissen, aber ich musste sie einfach aufheben. Die Worte zogen mich magisch an. Sie boten keinen Trost, aber ich hoffte, sie würden mich verstehen lassen, was ich verschuldet hatte.
    Seit der Beerdigung hatte ich Albträume gehabt. Einmal hatte ich geträumt, dass mich der Pfarrer, der meine Tat kannte, bloßstellte. Mitten im Gottesdienst hörte er plötzlich auf zu predigen und ließ seinen Blick über die Kirchenbänke schweifen. Dann hob er langsam den Zeigefinger und deutete auf mich. »Da«, sagte er, »da ist der Mann, der es getan hat.«
    Gesichter drehten sich zu mir um, eines nach dem anderen, wie eine Welle in einem überfüllten Stadion, alle Augen richteten sich auf mich, erstaunte, zornige Blicke, nur Miles und Jonah sahen mich nicht an. Es war still in der Kirche, aufgerissene Augenpaare kreisten mich ein. Ich saß reglos und wartete, ob Miles und Jonah sich auch umdrehen würden, um den Täter in Augenschein zu nehmen. Aber sie taten es nicht.
    In dem anderen Albtraum war Missy noch lebendig, als ich sie im Graben fand. Sie atmete schwer und stöhnte, aber ich drehte mich um und ging weg und ließ sie allein sterben. Aus diesem Traum erwachte ich mit zugeschnürter Kehle. Ich sprang aus dem Bett und lief durch das Zimmer, bis ich mich endlich davon überzeugen konnte, dass ich das nur geträumt hatte.
    Missy starb durch eine Kopfverletzung. Das las ich in der Zeitung. An einer Gehirnblutung. Wie gesagt, ich war nicht schnell gefahren, aber es hieß in den Berichten, sie sei bei ihrem Sturz in den Graben mit dem Kopf gegen einen vorspringenden Stein geprallt. Die Chancen, dass so etwas passiert, stehen etwa eins zu einer Million.
    Ich war nicht sicher, ob ich das glauben konnte.
    Ich fragte mich, ob Miles mich verdächtigen würde, wenn er mich traf, ob er durch eine göttliche Eingebung die Wahrheit ahnen würde. Und was ich sagen würde, wenn er mich zur Rede stellte. Würde er sich dafür interessieren, dass ich gern Baseballspiele anschaue oder dass Blau meine Lieblingsfarbe ist oder dass ich mit sieben nachts heimlich aus dem Haus schlich und die Sterne betrachtete? Würde er wissen wollen, dass ich bis zu dem Moment, in dem ich Missy anfuhr, sicher gewesen war, ich würde etwas aus meinem Leben machen?
    Nein, das wäre ihm völlig gleichgültig. Was er wissen wollte, war offensichtlich. Er wollte wissen, dass der Mörder braune Haare und grüne Augen hat und dass er ein

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