Weg des Unheils, Band 1-4 (Western-Sammelband) (German Edition)
wie leergefegt, wie ausgestorben vor ihren Blicken. Eine bleischwere Ruhe lagerte über dem Ort – eine Ruhe, die trügerisch und unheilvoll anmutete.
An einigen der Fenster waren Gesichter zu sehen. Vor dem Sheriff’s Office hielten Warren Elliott und die Farmerfrau an. Der Mann aus Gila Bend ließ sich vom Pferd gleiten und ging in das Büro. Es war verwaist. Er kehrte wieder um, draußen nahm er seinen Rotfuchs am Zaumzeug und führte ihn zum Mietstall. Alice folgte ihm auf dem Pferd. Beim Mietstall angelangt saß auch sie ab. Im Stalltor erschien der Stallbursche. Mit ernstem Gesichtausdruck schaute er den Ankömmlingen entgegen. Bei ihm angekommen fragte Warren Elliott: „Was ist los? In der Stadt ist alles wie erstarrt. Was stimmt hier nicht?“
„Der Deputy ist tot“, antwortete der Stallmann mit rauer Stimme. „Er war auf der C.W., weil er wissen wollte, wo er die drei Kerle suchen muss, die er verdächtigte, die Mörder Rock Warners zu sein. Als er überfällig war, ritten einige Männer hinaus, um nach ihm zu suchen. Sie fanden ihn am Fluss, zwischen der Ranch und der Stadt. Jemand hatte ihm eine Kugel in die Brust geknallt.“
Es dauerte einige Zeit, bis Warren Elliott diese Hiobsbotschaft verarbeitet hatte. Dann sagte er mit dumpfer, tonloser Stimme: „Für den Mord kommt nur die C.W.-Ranch in Frage. Angeordnet hat ihn entweder Big Charles selbst oder Jesse Willard. Ausgeführt haben ihn Sam Higgins oder Jim Strother.“
„Ein Aufgebot ist unterwegs“, erklärte der Stallmann. „Ob die Männer etwas herausfinden, was sie zum Mörder Boyds führt, ist fraglich. Vor zwei Stunden ist übrigens ein Hombre in Bradford Well angekommen, der wissen wollte, wie er auf dem schnellsten Weg zur C.W. gelangt. Ihm haftete der Geruch von Pulverdampf an. Ich kenne diese Sorte. Sie lebt von der Schnelligkeit, mit der sie den Revolver ziehen kann.“
Eine düstere Ahnung beschlich Warren Elliott. „Wie sieht der Mann aus?“
„Dunkel, verwegen, gefährlich. Einer von der hartbeinigen, falkenäugigen Spezies. Dass er den Weg zur C.W. erfragte, sagt alles.“
Warren Elliott holte die Steckbriefe aus der Westentasche, suchte den von Dave Lewis her und hielt ihn dem Stallmann hin. „Ist das der Hombre?“
Der Stallbursche schaute sich eine ganze Weile das Bild an, dann nickte er.
An Alice gewandt stieß Warren Elliott hervor: „Die Bande ist vollzählig. Von meinem Neffen gibt es allerdings nicht die geringste Spur. Sie haben sich auf irgendeine Art seiner entledigt. – Gibt es jemand in der Stadt, bei dem Sie wohnen können, Alice?“
„Ich gehe zu Will Boyds Frau und frage sie“, antwortete Alice Warner. „Sicher hat sie nach dem Mord an ihrem Mann Beistand nötig. Wir kennen uns gut. Ich glaube nicht, dass sie Carrie, Toby und mich vor der Tür stehen lässt. – Was haben Sie vor, Warren?“
„Können Sie sich das nicht denken, Alice?“
Die Frau nickte. „Geben Sie auf sich Acht, Warren. Es – es wäre für mich schrecklich, wenn Sie nicht zurückkehren würden. Verstehen Sie mich nicht falsch. Aber …“
Alice Warner brach ab.
„Ich komme wieder“, versprach der Mann aus Gila Bend, dann schwang er sich aufs Pferd, zog das Tier um die linke Hand und kitzelte es mit den Sporen. In seinen Mundwinkeln hatte sich ein entschlossener Zug festgesetzt.
*
Sam Higgins und Jim Strother beobachteten die Farm Hal Taylors. Bald waren sie sich sicher, dass sich außer dessen Ehegattin niemand dort befand. Sie beschlossen, Jenny Taylor einen Besuch abzustatten. Als sie in den Farmhof ritten, trat die Frau aus dem Haus. Die beiden Männer waren ihr fremd. Aber ein Blick in ihre Gesichter zeigte ihr all die Skrupellosigkeit und Niedertracht, die in ihnen steckten.
Jenny Taylor war siebenunddreißig. Die langen, blonden Haare hatte sie am Hinterkopf zu einem Schopf zusammengebunden. Sie war nicht schön, sie war nicht einmal hübsch. Aber darauf achteten die beiden Banditen nicht. Sie wollten ihren Spaß haben, sie wollten die Frau quälen, sie demütigen und am Ende …
Sie waren Sadisten. Menschliche Empfindungen waren ihnen fremd.
Die Angst kam bei Jenny wie ein eisiger Guss. Sie spürte das Unheil, das mit den beiden Reitern auf die Farm kam, bis in die Seele. Eine unsichtbare Faust schien sie zu würgen.
Eine Pferdelänge vor Jenny parierten sie die Pferde. Das schiefe, schmierige Grinsen um ihre Lippen versetzte Jenny Taylor einen Stich. Sie gab sich Mühe, äußerlich ruhig zu erscheinen.
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