Weg des Zorns 01 - Die Kriegerin
an. »Aber beim nächsten Mal könntest du mich vielleicht vorwarnen, ja? Du hast mich so erschreckt, ich glaube, mir wachsen jetzt ein Jahr lang keine Haare mehr.«
»K ...« Alicia räusperte sich. »Klar«, brachte sie dann beim zweiten Versuch heraus und klang dabei fast normal - und sie hoffte, er hörte nicht, wie unendlich dankbar sie ihm dafür war, sie in so ruhigem und alltäglichem Ton angesprochen zu haben.
Über das Netzwerk hörte sie etwas, das verdächtig nach einem leisen Lachen klang, und wieder musste Alicia schlucken. Sie zweifelte nicht im Mindesten daran, dass sie gerade eben einen Menschen getötet hatte, und bemerkte, dass ihr Großvater vollkommen recht gehabt hatte: Sosehr man sich auch auf diesen Augenblick vorzubereiten versuchte - wenn es schließlich so weit war, erwiesen sich all diese Bemühungen ohnehin als vergeblich.
Du hattest keine andere Wahl, erklärte ihr eine leise Stimme im Hinterkopf, während sie mit ruhigen Händen den Granatwerfer nachlud, ohne auch nur einen Moment lang damit aufzuhören, mit Hilfe ihrer eigenen Augen und ihrer Helmsensoren weiterhin aufmerksam ihre Umgebung nach möglichen Bedrohungen abzusuchen. Du hast diesen Heckenschützen ja nicht nach da oben geschickt, sprach die gleiche Stimme weiter, während Alicia sich wieder in Bewegung setzte und weiterhin Hilton folgte; von einem abgestellten Wagen schlich sie zum nächsten und nutzte die Deckung aus, die diese Fahrzeuge ihr boten. Außerdem, setzte die Stimme dann fast brutal nach, ist das doch genau das, wofür du dich freiwillig gemeldet hast, oder nicht?
Ja, es stimmte. Und selbst jetzt noch spürte sie, dass sie dabei recht gehabt hatte - das war tatsächlich etwas, das sie tun konnte. Und sie konnte auch anschließend noch damit leben. Doch sie wusste auch, dass sie gerade eben den entscheidenden Schritt in eine Welt getan hatte, den die weitaus größte Mehrheit aller Bürger des Imperiums niemals tun würde.
Sie war jetzt ein Killer.
Eine echte Kriegerin.
Das würde sie niemals wieder ändern können, selbst wenn sie es wollte. Es war, wie die Jungfräulichkeit zu verlieren: Man konnte es nicht rückgängig machen. Und die Tatsache, dass Alicia genau gewusst hatte, dass es eines Tages passieren musste, dass es eine völlig unausweichliche Konsequenz des Berufes war, für den sie sich entschieden hatte, half ihr kein bisschen darüber hinweg, wie sehr sich ihr persönliches Universum gerade verändert hatte.
Doch jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, um darüber nachzudenken, und so schlüpfte sie, immer weiter hinter Hilton, von Fahrzeug zu Fahrzeug, und sie bewegte sich dabei fast genauso geschickt wie ihr Kamerad.
In dem kleinen, leeren Apartment lehnte sich Captain Chiawa an die Wand; er spürte, wie seine Muskeln erschlafften, und das Atmen fiel ihm schwer.
Zusammen mit seiner kleinen Einheit war es ihm gelungen, sich von den Randalierern zu lösen. Er wusste nicht, wie sie es geschafft hatten. Alle Erinnerungen daran waren nur verschwommen, ein hektisches Stakkato aus Befehlen, hastigen Bewegungen, Rennen und Verstecken. Doch währenddessen hatten sie vollständig die Richtung geändert und hatten sich immer weiter von dem Raumhafen entfernt, der eigentlich ihr Ziel war. Die von den Marines gesicherte Zone lag die halbe Stadt Zhikotse weit von ihnen entfernt. Das war ganz und gar nicht gut. Das einzig Gute an ihrer aktuellen Lage war, dass sie wenigstens den Feindkontakt hatten beenden können ... und im Augenblick niemand versuchte, sie umzubringen. Eine willkommene Abwechslung.
Chiawa öffnete die Augen und blickte zu den anderen Milizsoldaten hinüber.
»Wie sieht's mit der Munition aus?«
Die anderen Männer wirkten so erschöpft, wie der Captain selbst sich fühlte. Die adrenalingetriebene Wachsamkeit seiner Männer hatte sich ein wenig gelegt, nachdem sie diese vorübergehende Zuflucht erreicht hatten, und so schien es einige Sekunden zu dauern, bis sie auch nur seine Frage verstanden hatten.
Dann fuhr Corporal Munming mit den Fingern über seinen Granaten-Munitionsgurt, ohne an sich herabzublicken; mit den Fingerspitzen tastete er den brailleartigen Code der einzelnen Granaten ab.
»Fünf Schrapnells, zwei Sprenggranaten, zwei Brandgranaten, zweimal Rauch, dreimal HS, Sir«, meldete er, dann lachte er erschöpft auf und tätschelte die kompakte Maschinenpistole an seiner rechten Hüfte, die er als Ersatzwaffe mit sich führte. »Und natürlich auch noch drei Magazine
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