Wege des Herzens
herzhaft in den großen Hamburger. Seit sechs Wochen war sie nun auf Diät und hatte nur sechs Pfund abgenommen. Für den Fall, dass sie die neue Stelle in der Herzklinik bekommen würde, hatte sie sich daher eine Belohnung versprochen. Sie hatte dabei zwar eher an ein Paar neue Schuhe oder eine große, teure Handtasche gedacht, aber es war ein langer Tag gewesen, und sie hatte keine Kraft mehr, in den Geschäften herumzulaufen. Um ihren neuen Job zu feiern, war Barbara mit ihrer Freundin Fiona verabredet.
Fiona beneidete sie glühend. Genau so eine Stelle hätte sie auch gern gehabt.
»Aber du hast dich ja nicht einmal darum beworben.« Barbara war verärgert über Fiona. »Du hättest die Stelle bestimmt bekommen, und wir könnten zusammenarbeiten. Aber nein, du wolltest ja keine Formulare ausfüllen.«
»Ich wusste doch nicht, dass diese Ärztin so nett ist und dass man so viel Eigenverantwortung haben würde. Ich dachte eher, dass das wieder einmal so ein Handlangerjob ist.«
»Also, jetzt ist es zu spät. Wahrscheinlich hat diese Dr.Casey bereits eine böse alte Schachtel eingestellt, mit der ich mich herumschlagen muss, nur weil du partout keinen Schreibkram magst.«
»Wie ist sie denn so?«, fragte Fiona.
»Dunkelhaarig, gepflegt, auf eine altmodische Weise hübsch. Sieht ein bisschen aus wie die Frau da drüben am Tisch. Hey, warte mal eine Minute, das
ist
sie.« Barbaras Hand mit dem Hamburger verharrte in der Luft.
»Sie geht
hierher
zum Essen?« Fiona blieb vor Staunen der Mund offen stehen.
»Ja, und neben ihr sitzt diese junge Frau aus dem Zentrum, eine Ausländerin namens Ania. Merkwürdig!« Barbara schüttelte ungläubig den Kopf.
»Na ja, irgendwo muss sie ja essen …« Doch Fiona war bereits auf dem Weg zu Claras Tisch.
»Dr.Casey, verzeihen Sie mir bitte, wenn ich Sie beim Essen störe, aber ich bin Fiona Ryan. Ich bin eine Kollegin von Barbara – sie sitzt dort drüben –, die nächste Woche bei Ihnen zu arbeiten anfangen wird. Ich wollte mich eigentlich auch um eine Stelle bei Ihnen bewerben, aber ich war der Meinung, dass es sich wieder mal nur um die üblichen Routinearbeiten handeln wird. Barbara hat mir inzwischen alles über die Arbeit erzählt, und das hört sich großartig an. Jetzt wollte ich Sie fragen, ob es schon zu spät ist, um Ihnen meinen Lebenslauf zu schicken. Ich könnte ihn noch heute Abend vorbeibringen, das heißt, wenn Sie nicht schon jemand anderen eingestellt haben.«
Vor Clara stand eine hübsche junge Frau Mitte zwanzig, die sie breit anlächelte und Selbstvertrauen und Zuversicht ausstrahlte. Genau die Art von Frau, die Clara als Mitarbeiterin haben wollte. Im Hintergrund entdeckte sie Barbara, die verzweifelt mit den Armen fuchtelte, um ihre Freundin zurückzuholen, aber Fiona ließ sich nicht bremsen.
»Barbara ist mein Auftritt fürchterlich peinlich, aber ich dachte mir, wenn ich nicht frage, werde ich es nie erfahren.«
Die junge Frau wirkte aufgeweckt und clever. Es konnte nicht schaden, sich ihren Lebenslauf mal näher anzusehen.
»Natürlich«, erwiderte Clara. »Bringen Sie Ihren Lebenslauf ruhig vorbei, wenn Sie Zeit haben, und hinterlassen Sie mir auch eine Telefonnummer, unter der ich Sie erreichen kann. Das hier ist übrigens Ania.«
»Hallo, Ania. Ich lasse Sie beide jetzt lieber in Ruhe essen. Danke vielmals.« Und schon war Fiona wieder weg und kehrte zurück an den Tisch zu Barbara, die sie leise schimpfend empfing.
»Die ist nett, nicht wahr?« Clara behandelte Ania wie eine Gleichgestellte.
Ania, die sich sehr geschmeichelt fühlte, stimmte ihr zu. »Sie hat ein schönes Lächeln. Werden Sie sie einstellen, Madam?«
»Ganz bestimmt«, sagte Clara. »Was meinen Sie, Ania? Sollen wir uns noch ein Eis bestellen oder wieder zurückgehen und unsere Klinik auf Vordermann bringen?«
»Wir gehen besser wieder zurück, Madam«, antwortete Ania. Mittagspause hin oder her, aber man musste wissen, wann man arbeiten sollte.
Pünktlich um sieben Uhr zahlte Clara Ania ihren Tageslohn aus. »Also, bis morgen früh um halb neun Uhr«, fügte sie hinzu.
Ania grinste über das ganze Gesicht. »Ja, arbeite ich morgen wieder?«, fragte sie und klatschte in die Hände.
»Sicher doch, wenn Sie möchten. Sie kennen sich ja jetzt gut aus. Vielleicht müssen Sie morgen putzen und Möbel schleppen, aber ich werde Ihnen natürlich helfen.«
»Danke, Madam, aus ganzem Herzen«, sagte Ania. »Und auch für das gute Essen. Sie sind eine sehr nette Frau
Weitere Kostenlose Bücher