Wege des Herzens
die junge Frau, die ihm öffnete, schien sich zu freuen, ihn zu sehen.
»Ich bin Ania. Ich mache gerade Ihr Namensschild fertig. Sagen Sie mir, was darauf stehen soll.« Ihr ausländischer Akzent war nicht zu überhören. Sie lächelte ihn strahlend an.
»Äh, ich würde sagen, nur mein Name«, erwiderte er überrascht.
»Aber wollen Sie lieber geschwungene oder Druckbuchstaben?«
»Sind Sie die Klinikkalligraphin?«, fragte er.
»Die was?«
»Entschuldigung. Sind Sie Schriftexpertin?«
»Nein, aber Clara hat das Namensschild sehr gefallen, das ich für mich gemacht habe. Sie hat vorgeschlagen, dass ich für alle ein Schild schreibe. Sie sehen hübscher aus als die langweiligen normalen Krankenhausschilder, meint sie. Und die sind außerdem zu klein für ältere Menschen, die können sie gar nicht lesen. Deshalb hat Clara mir diese speziellen Stifte für dicke und dünne Striche gekauft.«
»Das Krankenhaus war sicher begeistert von der Idee«, meinte Declan.
»Nein, überhaupt nicht, aber das ist Clara egal.« Ania schien sehr stolz auf ihre Chefin zu sein.
»Gut. Na, dann bitte geschwungene Buchstaben, Ania.«
»
Gern
. Ich mache es sofort, und bis die anderen kommen, können Sie es anstecken. Dann werden sie gleich wissen, wer Sie sind.«
Sie schien glücklich und zufrieden mit ihrer Arbeit, auch wenn Declan keine Ahnung hatte, ob sie Sekretärin, Krankenschwester oder Putzfrau war. Aber es war ein gutes Zeichen, dass die junge Frau keine Notwendigkeit sah, sich zu erklären, sondern sich dem Team der Klinik zugehörig fühlte. Ihre entspannte Haltung übertrug sich auch auf Declan, und er beobachtete Ania, wie sie geschickt seinen Namen aufs Papier schrieb. DR . DECLAN CARROLL . Seine Mutter wäre begeistert gewesen. Vielleicht sollte er sein Namensschild kopieren und ihr nach Hause bringen.
Langsam, einer nach dem anderen, trafen seine zukünftigen Kollegen ein.
Lavender, die Diätassistentin, gratulierte Declan auch gleich zu seinem Entschluss, eine Laufbahn als Allgemeinarzt einzuschlagen und nicht, wie so viele junge Männer, eine glamouröse Karriere als Facharzt anzustreben. Das sei eine große Hilfe für normale Menschen wie ihre Patientin Kitty Reilly, die einen guten Hausarzt dringend brauchten.
Barbara, eine der beiden Krankenschwestern, die einen netten, lebhaften Eindruck machte, lobte ihren Arbeitsplatz in höchsten Tönen. Die Klinik sei zwar erst seit zwei Wochen in Betrieb, aber schon jetzt habe man am Ende des Tages das Gefühl, etwas Wichtiges geleistet zu haben. Und das war mehr, als die meisten Menschen von sich behaupten konnten – zumindest ihren Gesichtern nach zu schließen. Barbara erzählte, dass sie jede Woche mit drei guten Vorsätzen beginne: Diese Woche wollte sie zwei Kilo abnehmen, ihrer griesgrämigen Patientin Kitty Reilly so zusetzen, dass diese sich endlich merkte, welche Tabletten sie einnehmen müsse, und außerdem wollte sie mit ihrer Freundin Fiona eine Wohltätigkeitsveranstaltung in einem Golfclub besuchen, weil sie gehört hatten, dass es dort besonders viele gutaussehende Männer gebe.
Hilary Hickey stellte sich Declan als Claras persönliche Assistentin vor und versicherte ihm, dass er sich in dieser Tagesklinik sehr wohl fühlen würde. Es habe etwas Magisches an sich, die Menschen hier zu beobachten, die dachten, sie seien nach ihrem Herzinfarkt am Ende, schließlich aber feststellen mussten, dass das Leben weiterging und sie mit ihrer veränderten Situation durchaus zurechtkommen konnten.
Dann war da noch ein Wachmann namens Tim. Er hatte nur ein paar Stunden am Tag Dienst und überprüfte dabei hauptsächlich, ob alles funktionierte. Von Declan wollte er vor allem wissen, ob dieser beabsichtige, in seinem Aktenschrank auch Medikamente aufzubewahren, denn wenn es so wäre, müsse er extra Sicherheitsvorkehrungen treffen, die fraglichen Drogen auflisten und ein Schloss an dem Schrank anbringen. Das sei nicht sehr wahrscheinlich, erklärte Declan und fügte hinzu, dass er sicher Arzneimittel verschreiben würde, dass die Patienten diese aber selbst in der Apotheke abholen müssten.
Declan lernte an dem Tag auch Johnny, den Physiotherapeuten, kennen, der große Hoffnungen in diese Klinik setzte, wie er ihm versicherte. Diese Clara Casey habe nämlich mehr Mumm in den Knochen als die meisten Männer in dem Geschäft. Es war zwar absolut kein Geld für Geräte vorhanden, aber sie war einfach hergegangen und hatte welche bestellt. Johnny habe sich fast
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