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Wege im Sand

Wege im Sand

Titel: Wege im Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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rot?
    »Davon habe ich gehört«, erwiderte er ruhig.
    »Nun, ich bin von Ehe zu Ehe gewandert. Bin aus einer unglücklichen Ehe oder Beziehung ausgebrochen in der Hoffnung, die nächste würde besser.« Sie verschränkte ihre Hände, voller Scham, die sie bei dem Gedanken stets empfand. Das Geräusch der Wellen, die ans Ufer brandeten, drang durch das geöffnete Fenster. Warum erzählte sie Jack das alles? Vermutlich weil ihre Bekanntschaft so lange zurückreichte – sie waren zwar nicht miteinander befreundet, aber kannten sich vom Strand her.
    »Ich wünschte, du hättest mehr Glück mit deinen Beziehungen gehabt«, sagte Jack.
    »Nun, ich brauche Nähe. Emma zog mich früher oft damit auf. Das war schon damals so, am Strand, als wir Kinder waren.«
    »Mach dir keine Vorwürfe.«
    »Es ist so unfair.« Sie blickte ihn an. »Du hattest Emma – aber sie wurde euch viel zu früh genommen. Und ich habe meine Ehen einfach weggeworfen …«
    »Emma zu verlieren war unfair. Gelinde ausgedrückt. Aber geh nicht so hart mit dir ins Gericht. Vielleicht hatten diese Männer dich nicht verdient.«
    Sie sah ihn an. Seine Augen waren grimmig, und einen Augenblick lang fühlte sie sich genauso beschützt wie früher von ihrem Vater. Diese Empfindung erschreckte sie – sie kam völlig unerwartet. Sie lächelte, entspannte sich ohne ihr Zutun. Sie hatte schon lange keine Freunde mehr zu Besuch gehabt. Nell die Tür zu öffnen hatte sich als Geschenk des Himmels erwiesen: Sie sah Jack an, überrascht, dass sich die Anspannung in ihren Schultern verflüchtigte.
    »Danke«, sagte sie.
    »Keine Ursache.« Sie standen auf, bereit, in die Küche zu gehen. Ihre Herz klopfte. Jack sah sie auf eine Weise an, die sie bewog, ihren Blick abzuwenden, auf den Strand zu richten. Die Sonne war inzwischen untergegangen; die Bucht glänzte matt silbern, beinahe schwarz. Der Himmel verdunkelte sich, und Stevies Herz schlug schneller.
    Sie wechselten einen Blick, dessen Tiefe Stevie innerlich aufwühlte. Er machte sie verlegen, verwirrte sie. Sie drehte sich um, bemüht, etwas Unverfängliches zu sagen. Tilly lag auf der Fensterbank, gab einen grollenden, kehligen Laut von sich, als sie Mäuse im Unterholz ausmachte. Stevie berührte Tillys Kopf mit den Fingerspitzen, und die Katze sauste davon.
    »Ich würde Madeleine gerne wiedersehen«, sagte sie.
    Jack antwortete nicht – sie sah im selben Augenblick, wie seine Stimmung umschwang.
    »Könntest du mir ihre Telefonnummer geben? Vielleicht rufe ich sie an – wenn sie Nell und dich besucht, würde ich mich freuen, wenn sie auf einen Sprung vorbeikommen könnte.«
    »Sie kommt nicht zu Besuch«, entgegnete er ruhig.
    Stevie sah ihn an, war bestützt über seine Miene. Er wirkte verstört, aufgewühlt.
    »Nicht?«
    »Es ist besser, wenn Nell und ihre Tante sich fürs Erste nicht sehen. Wenn es dir recht ist, lassen wir das Thema.«
    Stevie war perplex. Sie hatte keine Ahnung, was sie sagen sollte, und war durch die Wende, die ihre Unterhaltung genommen hatte, völlig konfus. Der Schmerz wich aus Jacks Augen, seine Miene wurde ausdruckslos. Er sah aus wie betäubt, konnte Stevies Blick nicht standhalten.
    »Ich glaube, der Kaffee ist fertig«, sagte sie nach einer Weile.
    »Gut.« Er schien erleichtert. In dem Moment fiel ihr ein, dass Nell noch oben war. Sie entschuldigte sich und ging hinauf, um sie zu holen.

    Nell redete mit der Krähe, streifte in Stevies Zimmer umher und fühlte sich restlos glücklich. Ihr Dad und Stevie waren unten – sie konnte ihre Stimmen hören. Bei dem Gedanken, dass die beiden über sie redeten, über ihre Mutter, fühlte sie sich geborgen und glücklich. Stevie war für sie beinahe wie eine zweite Tante.
    Kaum zu glauben, dass sie wusste, was Nell empfand; und dass auch sie ihre Mutter verloren hatte, als sie noch ein Kind war. Genau wie die kleine Krähe …
    Nell stand neben dem Käfig, betrachtete die munteren schwarzen Augen des Vogels. Sie ging zum Spiegel. Sie hatte braune Haare und grüne Augen, wie ihre Mom. Ob ihre Mutter jemals in diesem Raum gewesen war? Vielleicht hatten Tante Madeleine und sie bei Stevie übernachtet!
    Vielleicht konnte Stevie ihren Vater ja dazu bringen zu verzeihen … obwohl sie das kaum zu hoffen wagte. Während die Sonne hinter ihr unterging, blickte Nell in den Spiegel, in ihre grünen Augen, die Augen ihrer Mutter, und sprach schweigend einen großen Wunsch aus.
    In dem Moment entdeckte sie ein Foto auf dem Schreibpult.

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