Wehe Dem, Der Boeses Tut
es sich einigermaßen gemütlich zu machen. Sie war es müde, ständig auf der Flucht zu sein. Am liebsten hätte sie ihre Mission abgebrochen und die Fragen, die sie quälten, einfach vergessen.
»Zu mir.«
»Zu dir?«, wiederholte sie den Blick nach vorn gerichtet. Der Jeep fuhr stetig bergan. Vor ihnen ragten die schneebedeckten Gipfel der Cascade Mountains auf. »Ich wusste gar nicht, dass du ein Zuhause hast.«
Er warf ihr einen Blick zu, hart und starrsinnig und doch zugleich voller Sorge. »Wir fahren zur Ranch.«
»In Bend?«, hakte sie nach, schüttelte den Kopf, schnappte aber gleich darauf vor Schmerzen nach Luft. »Das geht nicht.«
»Warum nicht?«
»Es ist zu abgelegen. Ich habe Termine in Portland, muss mit Leuten reden. Mit Anwälten und Reportern.«
»Die können warten«, sagte Zach mit fester Stimme. Er hatte während der Befragungen meist geschwiegen, doch als Adria erklärte, was geschehen war – dass sie sich mit Polidori getroffen hatte und bei ihrer Heimkehr überfallen worden war –, hatte sein Zorn sich mehr und mehr gesteigert.
»Nein, Zach, wirklich, ich kann nicht …«
»Du wärst heute Nacht um ein Haar ermordet worden«, brüllte er und packte mit festem Griff ihr Handgelenk. Mit der anderen Hand hielt er das Steuer, den Blick fest auf die Straße gerichtet, die sich durchs Vorgebirge schlängelte. »Du scheinst das nicht besonders ernst zu nehmen. Aber ich. Der Kerl, der dir die Drohungen geschickt hat, wird dreister, und wenn er ein bisschen kräftiger zugeschlagen oder dich an einer anderen Stelle getroffen hätte, würden wir jetzt vielleicht gar nicht miteinander reden.«
Plötzlich fror Adria, wollte sich die Arme reiben, doch Zach hielt sie unerbittlich fest. »Aber ich kann nicht –«
»Natürlich kannst du. Du hast beinahe zwanzig Jahre darauf gewartet, die Wahrheit zu erfahren, da kommt es wohl auf ein paar Tage nicht an. Komm schon, Adria. Gönn dir ein bisschen Zeit, um wieder zu dir zu kommen.«
Sie wollte protestieren, ihm sagen, er könne nicht über ihr Leben bestimmen, doch sie fand die Worte nicht. Und sie hatte Angst. Angst wie nie zuvor in ihrem Leben. »Es ist nur vorübergehend, nicht wahr?«
Langsam stahl sich ein dreistes Lächeln auf sein bartstoppeliges Gesicht. »Ich halte dich nicht als Geisel fest, falls du das meinst.«
Sie fuhr sich nervös mit der Zunge über die Lippen. »Genau das meine ich«, sagte sie.
»Du kannst kommen und gehen, wie es dir gefällt.«
»Aber mein Auto –«
»Ich lasse deine Sachen bringen, auch diesen Schrotthaufen, den du Auto nennst – sobald ich ihn von einer Werkstatt habe überprüfen lassen.«
»Er ist in Ordnung«, wehrte sie ab.
»Er pfeift aus dem letzten Loch.«
»Bitte, ich brauche den Wagen …«
»Du bekommst ihn. In ein paar Tagen. Bis dahin stehen dir auf der Ranch genug Fahrzeuge zur Verfügung – Autos, Pick-ups … Himmel, wenn gar nichts anderes mehr geht, besitzen wir sogar einen Traktor.«
»Sehr witzig.«
»Nicht wahr?«, sagte er, doch dann wurde sein Blick sofort wieder ernst. »Komm schon, Adria! Lass das alles für ein paar Tage ruhen!«
Seine Freundlichkeit rührte sie, und sie überlegte flüchtig, ob seine Sorge echt war oder ob er nur seine Pflicht als ihr Babysitter erfüllte, der Probleme fernhalten sollte. »Du … hm … Du brauchst das alles nicht für mich zu tun.«
Er ließ ihr Handgelenk los und nahm das Steuer wieder in beide Hände. Sorgenfalten furchten seine Stirn. »Doch, allerdings.« Er fügte nicht hinzu, dass er an ihr kleben würde wie eine Klette, dass er um ihr Leben bangte, dass ihn Schuldgefühle plagten, weil er nicht auf seinen Instinkt gehört hatte, obwohl er wusste, ganz sicher wusste , dass er sie niemals aus den Augen lassen durfte.
Über den zerklüfteten Bergen ging die Sonne auf und schickte gleißende Strahlen ins Tal. Zach schaltete das Radio ein und warf einen flüchtigen Blick zur Beifahrerseite, wo Adria, in die Wolldecke gehüllt, den Kopf ans Fenster gelehnt hatte und gleichmäßig atmete, als sei sie im Begriff, in den Schlaf der Erschöpfung zu sinken.
Gut. Er trat das Gaspedal durch, biss die Zähne zusammen und schwor sich im Stillen, wenn er herausfand, wer ihr das angetan hatte, würde er das Schwein mit bloßen Händen umbringen.
21. Kapitel
I diot! Was hast du dir dabei gedacht?« Anthony Polidori hatte nicht übel Lust, seinem Sohn mit dem Gehstock eins überzuziehen. Er hatte Mario nicht mehr geschlagen,
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