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Wehrlos: Thriller

Wehrlos: Thriller

Titel: Wehrlos: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Sender
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sie sich Wissen über das Krankheitsbild aneignet, sich informiert, in Erfahrung bringt, wie weit die Wissenschaft inzwischen auf diesem Gebiet fortgeschritten ist, um das Problem anzugehen und die Ereignisse nicht nur passiv hinzunehmen.«
    »Und, hat sie das getan?«
    »Ich vermute, ja.«
    »Sie ist einmal mit dem Kleinen hier gewesen, mit Sacha, nicht wahr?«
    »Ja.«
    Rachel war verstört, ihr Puls beschleunigte sich. »Darf ich auch wissen, warum?«
    »Ich dachte, Sie seien darüber informiert.«
    »Nein.«
    »Sie brachte ihn wegen emotionaler Probleme mit.«
    Rachel hatte plötzlich einen trockenen Mund. »Was für emotionale Probleme?«
    »Er fragte sich, ob sein Papa seinetwegen fortgegangen sei. Er sagte, er wolle verschwinden.«
    Ein Faustschlag in die Magengrube. So empfand Rachel diese Worte. Sie wurde bleich, fixierte die ausdruckslosen Augen des Gurus und wünschte nur noch, er möge schweigen. Er log. Aber er fuhr fort: »Er sagte, er wolle in den Wolken verschwinden. Wie formulierte er das noch? Es war ein hübscher Ausdruck … Ach ja, › wie die Mama von Pippi ‹ .«
    Rachel wurde es sehr heiß, dann sehr kalt, und der Boden schwankte unter ihren Füßen. Der Arzt hob die Kartons von der Untersuchungsliege herab, bat sie, sich hinzulegen. Rachel vermochte nicht zu protestieren, ihre Beine waren wie Watte, und in ihren Ohren rauschte es. Der Doktor nahm ihr Handgelenk zwischen zwei Finger und blickte auf seine Uhr.
    »Bleiben Sie so liegen, das geht vorbei.«
    Die Hitze in ihrem Gesicht ließ etwas nach. Trotzdem fühlte der Doktor weiter ihren Puls. »Was setzt Ihnen so zu?«
    Rachel hatte keine Lust zu antworten. Ihm nicht, er flößte ihr kein Vertrauen ein. Gleichzeitig duldete der befehlende Ton des Arztes keinen Widerspruch. Ohne ihr Handgelenk loszulassen, tastete er mit der anderen Hand ihren Bauch ab. Rachel stöhnte auf vor Schmerz.
    »Er hat mir nie etwas dergleichen gesagt … nie«, murmelte sie. »Er ist ein glücklicher kleiner Junge.«
    »Vielleicht hat er es versucht. Aber Sie konnten ihn nicht hören. Warum sind Sie gekommen?«
    »Ich möchte wissen, was während meiner Abwesenheit mit ihm gemacht wurde.«
    »Ich habe mit ihm gesprochen, so wie ich mit Ihnen spreche, das ist alles. Und ich glaube, es ging ihm danach besser.«
    Rachel schloss die Augen, Wangs Stimme drang wie durch dichten Nebel an ihr Ohr. Rachel wollte etwas hinzufügen, aber Wang drückte auf ihre Leber, was sie erneut vor Schmerz aufstöhnen ließ.
    »Sie sind voller Verspannungen und Stress.«
    Sie wollte sich aufrichten, aber seine Hände hinderten sie daran und weckten Schmerzen in ihr, die sie bisher nicht kannte. Er tastete ihren Darm ab – sie biss sich auf die Lippen – und untersuchte jedes Organ Zentimeter für Zentimeter.
    »Sie stecken mitten in einem affektiven Konflikt. Sie unterdrücken Ihre Gefühle. Und das bereits seit langer Zeit.«
    Rachel versteifte sich. Sie wollte diesen Typen nicht mehr hören. Aber der Arzt fuhr fort: »Das muss lange, ja sogar sehr lange zurückliegen. Wahrscheinlich eine zu autoritäre oder zu perfekte Mutter, die Ihnen keinen Platz zum Atmen ließ. Also sind Sie auf Distanz gegangen, aber das Problem besteht weiter. Sie denken immer, dass die anderen alles besser machen, besser zu lieben verstehen als Sie. Sie nehmen nie Ihren Platz ein, und aus Angst zu versagen flüchten Sie. Dabei sind Sie mutig, ich spüre in Ihnen einen starken Willen, ja, einen Starrsinn, eine große Integrität und die Fähigkeit, Risiken einzugehen. Aber nicht auf persönlicher Ebene. Auf diesem Gebiet haben Sie abgedankt.«
    Rachel öffnete den Mund und schloss ihn wieder, ohne einen Laut herauszubringen. Sie machte eine Bewegung, um sich aufzurichten, die Kehle wie in einem Schraubstock, hin und her gerissen zwischen dem Bedürfnis, zu fliehen und Wang zu sagen, er möge schweigen, was auf dasselbe hinauslief. Dieser aber hinderte sie sanft daran und tastete ihren Hals ab.
    »Sorgen Sie sich nicht, das wird sich alles geben und wieder in Ordnung kommen. Sie müssen es nur zulassen. Ich bin dabei, Ihre Zellen neu auszurichten.«
    Rachel erstarrte, das Herz schlug ihr bis zum Hals, sie fühlte sich ohne eigenen Willen. Der Doktor setzte seine Behandlung eine Weile fort, strich leicht über ihre Stirn, ihren Bauch und ihre Knöchel und half ihr dann, sich aufzurichten. Verstört starrte sie ihn an.

KAPITEL DREIUNDZWANZIG
    Am schlimmsten waren die Schuldgefühle. Ratlos irrte Rachel durch N

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