Wehrlos: Thriller
schwarzen Sessel des Designers Erik J ø rgensen zur Geltung. In einem von ihnen saß ein Geschäftsmann, einen Aktenkoffer zu seinen Füßen, und las in einer Zeitschrift. Hinter dem pompösen Empfangsdesk, an dem mit goldenen Lettern der Firmenname prangte, saßen zwei Hostessen in marineblauen Kostümen und beobachteten das Kommen und Gehen. Sie überprüften die Personalien der Besucher, ehe sie ihnen gegen Hinterlegung des Passes ein temporäres Zutrittsbadge aushändigten. Dieses ermöglichte es ihnen, die Sperre zu passieren und den Aufzug zu den oberen Stockwerken zu nehmen.
In dem Bewusstsein, in gegnerisches Terrain eingedrungen zu sein, sah sich Rachel um. An den Wänden hingen Fotografien von den drei anderen internationalen Niederlassungen in Russland, Marokko und China. Jede von ihnen hatte eine landestypische Prägung.
Es gab auch Porträts bekannter Wissenschaftler, die sich gemeinsam mit dem Direktor Hans Renoksen hatten ablichten lassen. Rachel betrachtete ein Foto nach dem anderen und verweilte etwas länger vor dem des Generaldirektors und seines Sohnes Christian – wie in der Bildunterschrift zu lesen war. Beide trugen einen weißen Schutzhelm und einen Kittel. Rachel vermochte den Blick nicht von dem Sohn abzuwenden. Sie hatte ein eigenartiges Déjà-vu-Gefühl. Unterdessen präsentierte Samuel mit einem entwaffnenden Lächeln am Empfang seine Pressekarte.
»Ich möchte bitte zu Margareth Jensen, der Sekretärin von Herrn Hans Renoksen, um einen Termin für ein Interview mit ihr auszumachen.«
»Für solche Anfragen ist die PR -Abteilung zuständig.«
»Sehr gut.«
Man reichte ihm einen Besucherausweis, von Lommel fuhr, ohne sich noch einmal umzusehen, in den dritten Stock und verschwand in den weißen Gängen.
Zwanzig Minuten später war er, ein Papier in der Hand, erneut in der Halle. Als Rachel und er wieder im Wagen saßen, faltete er es auseinander.
»Ich habe behauptet, ich würde eine Serie über Großindustrielle und ihre Mitarbeiter vorbereiten, und man hat mir eine interne Telefonliste gegeben. Renoksen Vater und Sohn arbeiten nicht nur zusammen, sondern auch mit demselben Team. Das Problem ist nur, dass sie sich anscheinend liebend gerne mit Frauen namens M. Jensen umgeben, es gibt deren drei!«
Unter Rachels aufmerksamem Blick wählte Samuel die erste Nummer der Liste und schaltete auf Mithören.
»Hej, Samuel von Lommel, AFP . Haben Sie eine Erklärung zu der von Bill Gates subventionierten Impfkampagne gegen Malaria abzugeben?«
»Dies ist die falsche Abteilung, bitte wenden Sie sich an die PR -Stelle.«
Samuel warf Rachel einen fragenden Blick zu. Sie schüttelte den Kopf, die Stimme sagte ihr nichts. Samuel entschuldigte sich und beendete das Gespräch. Bei der zweiten Nummer antwortete niemand.
Bei der dritten gerieten sie an eine schrille Stimme mit einem starken Jütlanddialekt. Rachel schüttelte wieder den Kopf. Sie warteten eine Weile schweigend ab, dann probierte Samuel erneut die zweite Nummer. Diesmal hob jemand ab.
»Hallo?«, sagte eine tiefe, raue Frauenstimme.
Rachels Puls beschleunigte sich. Sie nickte heftig.
»Bitte wenden Sie sich an die PR -Abteilung«, sagte die Frau. Dieser Satz schien in der Firma an der Tagesordnung zu sein.
»Gut, das werde ich tun, aber einstweilen habe ich eine Freundin, die mit Ihnen sprechen möchte. Rachel Karlsen.«
Es folgte ein beredtes Schweigen. »Ich habe ihr nichts zu sagen.«
»Sie aber schon. Sie erwartet Sie in fünf Minuten unter der U-Bahn-Brücke.«
Erneutes Schweigen, dann sagte die Stimme leise: »Ich komme.«
Ein Lächeln auf den Lippen, beendete Samuel das Gespräch.
»Na also.« Rachel nahm ihm die Telefonliste aus der Hand.
»Es ist also die persönliche Assistentin der Renoksens, die hier das Phantom spielt.«
Die Hand auf dem Türgriff, atmete sie tief durch und seufzte. »Jetzt bin ich dran.«
■ ■ ■
Kurz darauf kam Margareth Jensen mit gesenktem Kopf aus der Drehtür des Pharmalabors. Eine zierliche Gestalt, das rotblonde Haar hinter die Ohren gestrichen, in einem alten lilafarbenen Regenmantel. Sie trug Mokassins und ging sehr schnell Richtung U-Bahn, wo einige Angestellte des Labors sich unterhielten und rauchten.
Rachel stieg aus. Margareth blieb bei ihren Kollegen stehen und bat um Feuer. Sie nahm einen tiefen Zug aus ihrer Zigarette, entfernte sich von der Gruppe und blickte sich suchend um. Dann ging sie ein Stück an der U-Bahn-Linie entlang, Rachel folgte ihr. Auf ihrer
Weitere Kostenlose Bücher