Wehrlos: Thriller
Höhe angelangt, sprach sie sie an.
»Margareth!«
Die beiden standen sich gegenüber und musterten einander kurz. Margareth Jensen bedachte sie mit einem undurchdringlichen Blick. Rachel kam sofort zur Sache.
»Wir haben einige Elemente zusammengetragen, die darauf hindeuten, dass Hannibal Reed der Auftraggeber des Attentats war. Aber wir brauchen noch eine direkte Zeugenaussage. Die Ihre.«
Margareth Jensen zog an ihrer Zigarette und ging weiter.
»Wie haben Sie mich gefunden?«
Rachel wertete das als Bestätigung. Sie hatte nichts abgestritten, als Rachel von Reed gesprochen hatte. Ein erster Pluspunkt.
»Dank Ihrer Hilfe haben wir die familiäre Verbindung zwischen Reed und Renoksen herstellen können. Dann habe ich im Computer des Bella Center Ihr Badge ausfindig gemacht.«
Die beiden Frauen hatten sich mehrere Hundert Meter vom RenokPharma-Gebäude entfernt. Sie verlangsamten den Schritt.
»Was wollen Sie?«, fragte die Assistentin von Renoksen.
»Das habe ich gerade erklärt. Sind Sie bereit auszusagen?«
Margareth stieß den Rauch durch die Nase aus. »Sind Sie verrückt? Sie kennen die nicht.«
»Unser Informant bleibt anonym. Sie brauchen nur einem meiner Freunde gegenüber zu wiederholen, was Sie mir gesagt haben. Er ist Reporter für Agence France Presse und wird anschließend die Angaben überprüfen.«
»Und warum sollte ich das tun?«
»Aus demselben Grund, aus dem Sie das Risiko auf sich genommen haben, mich letzte Woche zu warnen. Sie sind ein guter Mensch. Nachdem Sie wissen, wozu Ihr Chef fähig ist, um sich das Wohlwollen reicher Industrieller wie Reed zu sichern, können Sie nicht mehr ruhig schlafen.«
Margareth Jensen sah sich beunruhigt um. Ihre Augenlider zuckten nervös. »Ich habe schon getan, was ich konnte, tut mir leid.«
»Sie wollen also jemanden schützen, der zu einem Mord bereit ist, um seine üblen Winkelzüge ausführen zu können?«
»Vergessen Sie’s, es ist zu gefährlich.«
»Wissen Sie, dass mein Sohn durch Reeds Verschulden behindert ist? Weil der vergiftete Fischölkapseln auf den Markt gebracht und behauptet hat, sie wären gut für die Gesundheit! Wollen Sie weiter für eine solche Firma arbeiten?«
Margareth Jensen schüttelte den Kopf und nahm einen tiefen Zug aus ihrer Zigarette. »Ich sage Ihnen doch, sie sind zu gefährlich.«
»Das ist die einzige Chance, denen das Handwerk zu legen. Es gibt ein Fusionsprojekt für 2011 , nicht wahr? Spätestens ab diesem Zeitpunkt machen Sie sich mitschuldig. Ich habe die Sache unversehrt überstanden, aber mein Kollege Karl schwebt noch immer in Lebensgefahr. Wenn er stirbt, sind Sie Komplize eines Attentats und haben Beweise unterschlagen. Sie müssen sie anklagen.«
Margareth Jensen sah sie rasch an und senkte dann wieder den Blick.
Rachel zog ihr Handy aus der Tasche. »Ich bitte Sie nur, gegenüber diesem Reporter zu wiederholen, was Sie mir gesagt haben.«
Ohne Margareth länger Zeit zum Überlegen zu lassen, rief sie Samuel an. »Du kannst kommen.«
Margareth hatte nicht widersprochen und war nicht gegangen. Rachel wusste, dass sie die erste Etappe gewonnen hatte. Samuel würde in wenigen Minuten bei ihnen sein und die Sache übernehmen. Ehe er da wäre, wollte sie noch einen Punkt klären. »Woher wusste Renoksen von unserer Mission auf den Färöer-Inseln?«
Die Assistentin zögerte kurz. »Christian Renoksen hat mir einmal anvertraut, er habe seit Dezember 2009 einen Informanten bei Green Growth.«
KAPITEL SIEBENUNDZWANZIG
Margareths Geständnis dauerte über eine Dreiviertelstunde. Während Renoksens Assistentin sich ihnen zwischen U-Bahn-Brücke und einer Baustelle anvertraute, waren etliche Züge vorbeigefahren. Der Reporter war einfühlsam, aber unnachgiebig. Während er rund zwanzig Seiten mit Notizen füllte, spürte er, dass unter seinem Stift die Sensation des Jahres entstand.
Zunächst war Margareth Jensen zurückhaltend gewesen, doch mit der Zeit wurde sie immer gesprächiger. Sie war eine aufrichtige Frau, die ihrem Chef zweiundzwanzig Jahre lang mit Intelligenz, Hingabe und Loyalität gedient hatte. Aber seit sich »die Amerikaner«, wie sie sie nannte, der Firmenleitung genähert hatten und mit ihren Dollars und ihrer Raffgier lockten, hatte sich alles verändert. Für das Jahr 2011 war das Joint Venture Reed-RenokPharma angekündigt, das dem dänischen Labor mehr Durchsetzungsvermögen verleihen würde. Die beiden Direktoren, Vater und Sohn Renoksen, träumten von einem
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