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Wehrlos: Thriller

Wehrlos: Thriller

Titel: Wehrlos: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Sender
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Plötzlich schien ihr der alte Streit albern, und sie hatte Lust, ihn wiederzusehen. Sie schrieb eine lange Antwort, die sie, unzufrieden mit dem Ergebnis, gleich wieder löschte, um sich für eine kürzere Formulierung zu entscheiden.
    Als sie den Blick vom Display hob, stand sie vor dem Schild »Forensic Department«, das den Weg zum Rechtsmedizinischen Institut wies. Sie folgte den Pfeilen und gelangte nach fünfzig Metern zu einem grauen, monolithischen Block, der an ein Mausoleum erinnerte. Die Tür war verschlossen, und es gab weder eine Sprechanlage noch eine Klingel. Sie seufzte und befürchtete schon, den Weg umsonst gemacht zu haben. Schließlich ging sie um das Gebäude herum. Vor der Hintertür parkte ein Lieferwagen – das erste Anzeichen von Leben an diesem düsteren Ort. Rachel wartete bei dem Auto darauf, dass jemand kam, den sie fragen könnte. Nach fünf Minuten sah sie einen Rollwagen voller schmutziger Laken, der von einem Mann im blauen Overall geschoben wurde. »Guten Tat«, sagte Rachel und setzte ihr schönstes Lächeln auf, »ich suche Doktor Vita Moling, die hier arbeitet, aber ich weiß nicht, wie ich hineinkommen soll.« Der Mann, dessen Gesicht von Aknenarben überzogen war, knurrte etwas und deutete auf die Feuertür, durch die er gerade getreten war und die jetzt offen stand.
    Rachel verstand das Wort »Untergeschoss«, bedankte sich und trat ein. Der Mann war aus einem Lastenaufzug gekommen, für den man einen Schlüssel benötigte, und so blieb Rachel nur die Treppe. Nach einigen Stufen öffnete sie eine staubige Tür.
    Sie erreichte einen fensterlosen Gang, erhellt von fahlem Licht, an dessen Decke sich schmutzige schwarze Rohre entlangzogen, die durch das gesamte Gebäude zu führen schienen. An der Wand klebte ein Blatt Papier mit einem Pfeil nach rechts und der Aufschrift »Forensic Dep.«. Rachel wagte sich weiter vor. Nach einigen Metern kam sie an metallenen Bahren vorbei, erkannte Spinnweben an den Wänden und Haufen schmutziger Laken auf dem Boden. Ihre Schritte hallten wider. Ein eisiger Schauder lief ihr über den Rücken, und sie ging schneller. Ich muss hier raus. Hier gibt es sehr schlechte Schwingungen . Obgleich Rachel ein äußerst rationaler Mensch war, spürte sie eine unsichtbare Präsenz um sich herum. Ihr Herz schlug heftig, und sie begann zu rennen.
    ■ ■ ■
    »Möchten Sie vielleicht ein Glas Wasser?«
    Vita Moling, eine große Frau von mindestens einem Meter achtzig mit sehr kurz geschnittenem dunklen Haar, modern und direkt, bot Rachel, die in ihr Büro geplatzt war und sich nicht wohlzufühlen schien, sofort etwas zu trinken an. Diese nahm gerne an und stellte sich dann vor – das ließ ihr Zeit, sich wieder zu fassen. Von imaginären Phantomen verfolgt, wäre sie beinahe vor Angst gestorben. Wie blöd ich bin ! Sie verabscheute diesen Ort.
    Dabei hatte Vita Molings Büro nichts Erschreckendes. Der kleine Raum war voller bunter Aktenordner. Weder Gehirne in Formalin noch ausgestellte Organe oder gehäutete Leichen. Nichts als Akten und eine Sammlung alter medizinischer Instrumente. Und die Ärztin war alles andere als morbide, sondern schien eher energisch und äußerst lebendig.
    »Ich habe meinen Sohn ins Rehazentrum gebracht, wo er von Professor Hansen behandelt wird«, erklärte Rachel, nachdem sie sich mit einem Glas eisgekühltem Wasser erfrischt hatte. »Also habe ich die Gelegenheit genutzt, um Sie wegen der Obduktion meiner Schwiegermutter Christa Kohler aufzusuchen.«
    »Mein aufrichtiges Beileid«, antwortete Vita Moling, »ich habe die Obduktion gestern Abend durchgeführt.«
    Sie nahm hinter ihrem Schreibtisch Platz, auf dem eine Tasse mit schwarzem Kaffee stand, und griff nach einem gelben Schnellhefter, der oben auf dem Stapel lag.
    »Die Todesursache Ihrer Schwiegermutter war ein Herzinfarkt, der am 26. August gegen vier Uhr fünfzig eingetreten ist. Mindestens der zweite innerhalb der letzten fünf Jahre.«
    »Vier Jahre, genau gesagt. Den ersten hatte sie nach der Geburt meines Sohnes.«
    Vita Moling notierte die Information. »Woraufhin man ihr einen Stent gesetzt hat. Das Herz war in schlechtem Zustand. Ein zweiter Infarkt ist also nicht verwunderlich.«
    Rachel nickte bekümmert. »Was kann einen solchen Anfall ausgelöst haben?«
    Die Ärztin beugte sich zu ihr. »Ein sehr starker emotionaler Schock. Aber ich muss Ihnen auch sagen, dass das Herz aus einem anderen Grund schon sehr schwach war. Wussten Sie, dass Ihre

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