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Weiberabend: Roman (German Edition)

Weiberabend: Roman (German Edition)

Titel: Weiberabend: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne Fedler
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als ich wissen möchte«, stimmt Liz zu.
    »Das ist ganz normal«, sagt Ereka. »Kinder haben auch eine Sexualität, und die ist völlig unschuldig.«
    »Was tut ihr denn, wenn eure Söhne eine Erektion bekommen?«, fragt Helen Dooly und Liz. »Klopft ihr ihnen auf die Finger und befehlt ihnen, zehn Ave Marias aufzusagen?«
    »Sei nicht albern. Ich achte einfach nicht darauf und hoffe, dass sie wieder weggeht«, sagt Dooly.
    »Genauso gehe ich mit Davids Erektionen um«, sagt Helen lachend.
    »Dein armer Mann«, sagt Fiona, aber sie kichert dabei.
    »Kieran hat einen riesigen Penis«, sagt Tam. Hochbegabt und gut ausgestattet? Aus diesem Jungen wird ja mal was werden, eines Tages. Und dann, als hätte sie gerade gehört, was sie gesagt hat, fragt Tam: »O Gott, ist es in Ordnung, so etwas zu sagen?«
    »Nein, du wirst in der Hölle schmoren, weil du die erste Mutter bist, die je den Penis ihres Sohnes betrachtet und dabei gedacht hat, du wirst eines Tages eine Frau sehr glücklich machen«, sagt Helen. »Alle Mütter gucken hin, du alberne Gans«, fügt sie hinzu. Tam wirkt übertrieben erleichtert. Sie nimmt sich ein Stück Greyerzer und isst, als genieße sie es tatsächlich.
    »Wir haben Gabriel beschneiden lassen, weil wir dachten, das sei hygienischer, und jetzt bereue ich das schrecklich. Er hat einen sehr kleinen Penis«, sagt Fiona. »Ich glaube, die haben bei der Beschneidung zu viel weggeschnitten. Und ich mache mir Sorgen deswegen – ihr wisst schon, ich will auf keinen Fall, dass er später mal Komplexe wegen seiner Peniosgröße hat.«
    »Er ist doch noch klein«, beruhige ich sie. »Jetzt kann man doch noch gar nicht beurteilen, wie groß sein Penis sein wird, wenn er älter ist.«
    »Wie klein?«, fragt Helen.
    »Winzig, ungefähr so«, sagt sie und hält Daumen und Zeigefinger einen Zentimeter weit auseinander.
    »Ach, der wächst schon noch«, versichert ihr Ereka.
    »Mach dir deswegen keine Sorgen«, sagt Dooly. »Das ist nicht dein Problem.«
    »Auf die Länge kommt es sowieso nicht an«, sagt Liz. »Einzig die Dicke zählt – die räumliche Verdrängung.«
    Stimmt, nicken wir alle.
    »Außerdem kannst du ohnehin nichts daran ändern«, sage ich. »Das liegt nicht in deinen Händen.«
    »Auch wenn etwas nicht in unseren Händen liegt, machen wir uns doch trotzdem deswegen Sorgen«, sagt Fiona unschuldig.
    Als hätte jemand diese mitfühlende Geste choreographiert, sehen wir alle Ereka an. Sie lächelt schwach. Schweigen macht sich breit.
    Und dann sagt Ereka: »Ich mache mir Sorgen, dass Olivia vielleicht nie erfahren wird, wie schön Sexualität ist. Sex war eine solche Quelle von Freude in meinem Leben, und wer weiß, ob es jemals jemanden geben wird, der sie lieben und ihre sexuellen Bedürfnisse erfüllen wird …«
    Wir alle sind wie vor den Kopf geschlagen. Unsere Flippigkeit ist verpufft. Penisgröße – überflüssiger Luxus. Erekas Sorge um Olivia erstreckt sich unvorhersehbar weit in die Zukunft. Wird sie je zur Schule gehen können, Freundinnen haben, sich verlieben, jemandem Geheimnisse ins Ohr flüstern … Für uns andere sind diese Dinge so selbstverständlich.
    Eines Abends, als ich Jamie ins Bett brachte, hatten wir eine kostbare Unterhaltung, die ich sicher aufbewahrt habe, wie einen Schatz aus ihrer Kindheit. Es ging um den ersten Kuss, der sie erwartet. Ich habe ihr den Kopf gestreichelt, und wir haben aufgeregt überlegt, wer denn der glückliche Junge sein könnte. Sie hat glücklich geseufzt und die Augen geschlossen, während sie sich Peter Pan und andere junge Helden vorstellte. Solche Augenblicke wird Ereka nie genießen.
    Im selben Maße, wie das Schicksal der Mutterschaft uns entsexualisiert, tut das auch eine Behinderung. In einer Welt, in der die Verrenkungen magersüchtiger, gelifteter Blondinen als Schönheit verehrt werden, ist die unprätentiöse Sexualität behinderter Menschen nicht wahrnehmbar, versteckt unter dem Mäntelchen mitleidiger Reaktionen. Wir alle fühlen uns irgendwie klein nach Erekas Bemerkung. Helen legt Ereka eine Hand auf den Arm. Ich liebe sie dafür, dass sie jetzt nicht irgendeine dumme Plattitüde von sich gibt, wie: »Keine Sorge, irgendwo dort draußen gibt es auch jemanden für sie …« Helen lässt einfach nur eine Hand auf Erekas Arm ruhen. Niemand beeilt sich, Ereka von dieser schmerzlichen, unausweichlichen Wahrheit abzulenken. Wir alle senken den Blick auf diese Traurigkeit und tragen sie gemeinsam, zumindest eine Weile.

18 Eine

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