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Weiberabend: Roman (German Edition)

Weiberabend: Roman (German Edition)

Titel: Weiberabend: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne Fedler
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nur ein sehr starkes ethisches Bewusstsein dafür, was richtig und falsch ist«, sagt Ereka, um den Schlag zu mildern.
    Ich weiß, dass sie sich damit auf meine kaum verhohlene Verachtung gegenüber Menschen bezieht, die Drogen nehmen; obwohl sie sicher weiß, dass ich in ihrem Fall eine Ausnahme mache. Leuten mit behinderten Kindern sollte jedes Laster erlaubt sein, das ihnen hilft.
    »Was, wenn eine von uns etwas täte, das in deinen Augen absolut verabscheuungswürdig ist?«, fragt Liz. Irgendwann im Verlauf der letzten Stunde muss sie ihren schicken Hosenanzug ausgezogen haben, denn nun sitzt sie in einem dunkelbraunen Nachthemd auf dem Sofa.
    »Was denn?«, frage ich.
    »Na ja … Kokain schnupfen zum Beispiel«, sagt Helen.
    Alle sehen mich erwartungsvoll an.
    »Es stimmt, ich wäre nicht gerade beeindruckt.«
    »Wärst du trotzdem noch unsere Freundin?«
    »Ja, wenn das eine einmalige Sache wäre. Wenn es zur Gewohnheit würde, wahrscheinlich nicht.«
    »Was, wenn eine von uns eine Affäre hätte?«, fragt Liz.
    »Ich würde sie nicht dazu ermuntern«, sage ich in scherzhaftem Ton, um die Stimmung ein wenig aufzulockern.
    »Was, wenn wir etwas ganz Furchtbares getan hätten, wie etwa einen Menschen zu töten?«, fragt CJ.
    »Das kommt auf die Umstände an – war es ein Autounfall oder Mord?«
    »Mord«, sagt Tam.
    »An wem denn?«
    »Carl«, sagt Liz.
    »Das käme auch darauf an.« Jetzt stelle ich mir vor, dass Tam Kevin vergiftete Bohnen serviert, wie Mary-Anne und Wanda in dem Dixie-Chicks-Song »Goodbye Earl«. Ich bin ziemlich sicher, dass Kevin auch irgendwann als vermisst gelten würde, obwohl ihn gar niemand vermissen würde, abgesehen von seinen widerlich reichen, faltigen Patientinnen.
    »Oder eines unserer Kinder«, sagt Fiona.
    »Absichtlich?«
    »Ja«, sagt Fiona.
    Ich schweige. Die Atmosphäre im Raum ist sehr unbehaglich.
    »Wie diese Frau, wie hieß sie noch? Folbigg?«, fragt CJ.
    Ich lasse mir Zeit mit meiner Antwort. Ich will nicht missverstanden werden, und das Gebiet, auf das ich mich vorwagen will, ist mit Missverständnissen vermint. »Ich finde es abscheulich, was sie getan hat, aber irgendwie, na ja … äh … also, irgendwie tut sie mir leid.«
    »Die unschuldigen Kinder, die sie getötet hat, die sollten dir leid tun«, sagt Tam bissig.
    Wollte sie nicht nach dem Nachtisch schon gehen?
    »Ich habe ja gesagt, dass ich es abscheulich finde, was sie getan hat«, fahre ich fort. »Aber keine von uns weiß, was sie wirklich durchgemacht hat …«
    »Sie wollte die Kinder einfach nicht mehr«, sagt Dooly. Ich spüre, dass Dooly mir gern aus der Klemme helfen würde, aber sie hat sichtlich zu kämpfen.
    Allmählich fühle ich mich auch zum Kampf bereit. »Folbigg ist ein schlechtes Beispiel, aber erinnert ihr euch noch an diese Amerikanerin … äh … Yates. Andrea Yates?«
    »Ja, ich erinnere mich«, sagt Liz.
    »Wer war das?«, fragt Helen.
    »Sie hatte fünf Kinder. Nach dem dritten wurde bei ihr eine postpartale Depression diagnostiziert, aber ihr Mann bestand darauf, dass sie noch mehr Kinder bekommen sollte, und sie hat sie zu Hause selbst unterrichtet. Eines Tages hat sie alle in der Badewanne ertränkt.«
    »Himmel!«, japst CJ.
    »Worauf willst du hinaus?«, drängt Liz.
    »Ich will sagen, dass sich niemand einen Dreck um sie geschert hat. Es hat niemanden gekümmert, wie absolut überfordert sie als Mutter war. Bei ihr war eine postpartale Depression festgestellt worden, aber die Gesellschaft hat sie einfach links liegen lassen. Warum überrascht es uns dann, dass sie letzten Endes ihre Kinder getötet hat?«, argumentiere ich. Ich bin jetzt hitzig und wütend.
    »Sie hat ihre Kinder ermordet, Joanne«, sagt Tam in einem Tonfall, als sei ich geistig zurückgeblieben. »Sie hat sie getötet.«
    »Ich weiß, und das ist abscheulich und schrecklich, und diese kleinen Seelen tun mir aus ganzem Herzen leid«, sage ich. Begreift denn nicht eine von den Frauen hier, worum es mir geht?
    »Aber du hast Mitleid mit ihr«, fährt Ereka fort. Ich habe längst aufgehört, ihr die Füße zu massieren. Sie liegen wie bleierne Gewichte auf meinen Knien.
    »Sie wurde im Stich gelassen und musste zusehen, wie sie zurechtkommt …«
    »Also hat sie ihre Kinder ertränkt?«, sagt Dooly in einem Tonfall, der sich wenig hilfreich anhört. Ich argumentiere offenbar ziemlich lahm.
    »Entweder sie, oder die Kinder, darauf lief es hinaus«, sage ich.
    Im Raum herrscht eisige Spannung. Alle weichen vor

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