Weiberabend: Roman (German Edition)
mir zurück, ich sitze auf einer fernen, unerreichbaren Insel, und ihre Stimmen werden immer undeutlicher. Ich möchte schreien: »Lasst mich hier nicht allein, bitte versteht doch …« Plötzlich ist diese Gruppe meiner besten Freundinnen nur noch ein Haufen Fremder, und ich suche einsam und verloren nach einem bekannten Gesicht.
Das Schweigen dehnt sich. Ich sehne mich fast schon nach Erlösung. Nicht einmal Helen wirft mir einen Rettungsring zu. Ich werde hier ganz allein sterben.
»Ich hatte eine postpartale Depression«, sagt jemand.
Dankbar sucht mein Blick die Quelle dieser segensreichen Enthüllung. Fiona? Die ruhige, gelassene, sanfte Fiona?
»Wirklich?«, fragt CJ. Fiona nickt. Ein gewisses Zögern in Fionas Stimme warnt uns, hier vorsichtig aufzutreten.
»Wie war das denn?«, trampelt Helen mitten hinein.
Fiona holt tief Luft. Sie atmet langsam wieder aus und beginnt zu erzählen: »Ich hatte noch nie im Leben solche Angst. Ich wollte sterben, das weiß ich noch. Ich habe den ganzen Tag im Bett gelegen, während Gabriel in seinem Bettchen weinte und weinte. Wenn ich dachte, ich würde den Verstand verlieren, habe ich ihn manchmal ans andere Ende des Hauses gebracht, damit ich ihn nicht mehr hören musste. Ich habe wochenlang den Schlafanzug nicht ausgezogen, mich im Bett verkrochen und ferngesehen.«
»Wie hast du das überstanden?«, fragt Dooly, sichtlich bewegt.
»Also, Kirsty war damals elf, und sie war unglaublich. Sie ist zu Gabe gegangen, wenn er geweint hat, und hat ihm die Windel gewechselt, und sie ist mit ihm spazieren gegangen, wenn ich nicht aus dem Bett gekommen bin. Sie war meine Rettung. Ehrlich, ich weiß nicht, was ich ohne sie getan hätte.« Fiona lächelt uns an. »Und meine Mutter hat mir auch sehr geholfen – sie ist für eine Weile bei uns eingezogen.«
Das ist ein erschütterndes Geständnis. Aber ich bin nicht mehr allein und verlassen. Der Wind hat gedreht, und sie treiben langsam wieder auf mich zu. Alle schweigen, denn sie wollen noch mehr hören.
»Ich habe Gabriel angesehen und absolut nichts gefühlt. Ich dachte, ich sei ein böser, schlechter Mensch, oder mit mir stimme etwas nicht. Als hätte ich weder ein Herz noch eine Gebärmutter. Ich wollte so unbedingt diese Mutterliebe empfinden, von der einem alle erzählen, aber jedes Mal, wenn ich in mich hineingehorcht habe, war da absolut nichts. Ich habe Gabriels Geschrei gehasst, es war wie ein Vorwurf, ich tauge nichts. Ich habe mir nur noch gewünscht, ich könnte das Haus verlassen, und wenn ich wieder käme, würde er schlafen.«
Einige Gesichter wirken schockiert. Tam hat sich sogar eine Hand vor den Mund geschlagen. Von unserem Entsetzen ermuntert, erzählt Fiona weiter.
»Manchmal habe ich ihn im Park spazieren geschoben, und Leute haben mich angesprochen, ob mir etwas fehlt, und ich habe gefragt: ›Nein, warum?‹, und sie haben gesagt: ›Weil Sie weinen.‹ Und ich hatte nicht einmal gemerkt, dass mir die Tränen übers Gesicht liefen …«
»Du Ärmste«, sagt Ereka. »Wie ist Ben damit umgegangen?«
»Er konnte das überhaupt nicht verstehen. Ich meine, er hat versucht, mich zu unterstützen, aber er war in Gedanken bei seiner Firma und oft verreist. Er hat sich immer vergewissert, dass meine Mutter bei mir blieb, und dass Kirsty in der Nähe war. Aber ich glaube, manchmal wollte er nur noch weglaufen vor diesem Alptraum; der Alptraum war seine zweite Frau, die mit dem Kind, das er nur ihr zuliebe bekommen wollte, offensichtlich nicht zurechtkam.«
»Was erwartest du auch von einem Mann?«, bemerkt CJ.
»Ich muss sagen, er hat sich gut geschlagen. Ich glaube, die Tatsache, dass er bereits Vater war, hat ihm geholfen. Er hat mich zu einem Psychiater gebracht, der auf postpartale Depression spezialisiert war, und ich habe eine Therapie gemacht. Irgendwann war alles wieder in Ordnung. Da war Gabe allerdings schon fast zwei. Aber jetzt geht es mir gut …«
»Aber natürlich«, sagt Tam und wischt mit dieser Dümmlichkeit alles, was Fiona uns anvertraut hat, beiseite.
»Hast du deswegen keine weiteren Kinder bekommen?«, fragt Helen neugierig.
Fiona nickt. »Das kann ich einfach nicht noch einmal durchmachen. Das kann ich Gabriel nicht antun. Oder Ben. Aber vor allem mir selbst.«
»Du könntest Medikamente nehmen«, schlägt Helen vor.
»Das will ich nicht«, sagt Fiona. »Ich finde, ich bin mit ein paar Narben davongekommen, und jetzt ist alles wieder gut, aber ich will das nicht unbedingt
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