Weiberabend: Roman (German Edition)
Liberale.«
Und in diesem Moment finde ich an CJ so gar nichts mehr anziehend, erotisch oder in sonstiger Hinsicht. Ein antirassistisches Bewusstsein gehört nicht zu ihren Stärken, und ich weiß, wenn wir einen halbwegs angenehmen Abend miteinander verbringen wollen, müssen wir Themen wie Flüchtlinge und Asylbewerber, illegale Einwanderer und den Nahostkonflikt irgendwie umgehen. Im Gegensatz zu den Freundschaften, die ich an der Universität geknüpft hatte, haben die Beziehungen zu den Müttern der Freunde meiner Kinder keine politische Geschichte, ihnen fehlt dieser Kontext, auf den sich Vertrautheit mit anderen Menschen oft gründet.
Ich weiß nicht, auf welche Seite sich diese Frauen hier schlagen würden, wenn es darum ginge, BHs zu verbrennen. Ich würde mich bei keiner von ihnen (außer Fiona) darauf verlassen, dass sie nicht vielleicht doch Howard gewählt hat oder gar für George Bush ist. Unsere Einigkeit beruht schlicht und einfach darauf, dass wir alle Mütter sind. In diesem Punkt bieten wir eine geeinte Front. Der Rest ist ein Minenfeld. Ich schlucke meinen Abscheu gegen CJs Kommentar herunter wie einen ungewürzten, zu lang gekochten Bissen von Doolys Essen. CJ hat einen Universitätsabschluss, Herrgott noch mal. Da würde man eigentlich erwarten, dass sie es besser weiß. Keine der anderen springt mir bei. Nicht einmal Fiona. Alle hier scheuen sich vor der Konfrontation. Wozu lernt man denn Kickboxen, wenn man die tollen Tritte und Schläge dann nicht einsetzen kann, um CJ zum Schweigen zu bringen?
»Also, jedenfalls«, fährt Helen fort, »fragt die Frau, ob das Testergebnis der Fruchtwasseruntersuchung schon da ist und ob das Baby gesund ist, und die Aushilfe sagt: ›Ich schaue im Computer.‹ Sie geht weg, kommt bald darauf wieder ans Telefon und sagt: ›Tut mir leid, ist kaputt.‹ Die Frau ist natürlich fix und fertig. Sie ruft ihren Mann an, und alle regen sich schrecklich auf. Dann stellt sich heraus, dass nur der Computer kaputt war. Ihr Testergebnis war völlig normal. Ist das zu fassen?«
»Den Arzt hätte ich bis aufs letzte Hemd verklagt«, sagt CJ. »Wegen seelischer Grausamkeit.«
Wir anderen lachen. Dooly nicht so richtig, denn ihr beruflicher Impuls, das Opfer zu lieben, schwankt nur minimal im Sturm unseres leicht ekelhaften Humors. Die Daiquiris zeigen allmählich Wirkung. Wir fühlen uns frei zu scherzen, weil Ereka uns nicht hören kann. Trotzdem ist die Geschichte komisch. Es ist ja so angenehm, wenn man die Freiheit hat, über solche Witze zu lachen, nicht wahr? Ich erinnere mich gut an die ängstlichen Wartezeiten während meiner ersten Schwangerschaft, als sich plötzlich herausstellte, dass mein Baby möglicherweise in die traurige Statistik Ungeborener mit Tay-Sachs-Syndrom eingehen könnte. Mukoviszidose. Spina bifida. Selbst, nachdem all diese Untersuchungen durchgeführt waren und wir das Dokument in Händen hielten, das uns eine Wahrscheinlichkeit von 1:283 für das Down-Syndrom und 1:528 für Spina bifida bescheinigte, konnten wir die unheimliche Möglichkeit, dieses »was, wenn doch?«, nie ganz abschütteln. Egal, wie viele Tests gemacht werden, sie können einem nie die eindeutige Sicherheit geben, dass man selbst nicht die »eins« in der Gleichung »eins zu zweihundertdreiundachtzig« ist. Irgendjemand muss es ja sein. Wir alle erhoffen dasselbe Ergebnis. Ein normales Baby. Mit Augen, die sehen können. Mit Ohren, die hören. Ohne Gaumenspalte. Makellos. Die einzige Sorte Baby, die wir alle haben wollen.
Aber darüber reden wir nicht. Jedenfalls nicht vor Ereka. Olivia, ihre älteste Tochter, hat einen Hirnschaden, dessen volles Ausmaß noch nicht bekannt ist. Wenn ich manchmal mitten in der Nacht wach liege, weil mich das überwältigende Gefühl, was im Leben alles schiefgehen kann, nicht schlafen lässt, dann denke ich an Ereka. Alles, was sie wollte, war eine Hausgeburt. Sie hat so darum gekämpft, Jake dazu zu überreden. Wie konnte dann alles so furchtbar schiefgehen? Es kam zu einem Sauerstoffmangel, und sie erreichten das Krankenhaus zu spät, um eine dauerhafte Schädigung noch zu verhindern. Unsere zerbrechlichen Welten können so beängstigend schnell in Stücke bersten.
Wenn es um dieses Thema geht, bewahren wir alle etwas unaussprechlich Heiliges. Eine geteilte Trauer darüber, wie leicht Humpty Dumpty von seiner Mauer fallen kann. Und für jene von uns, die zum Glück gesunde Kinder haben, kommt noch eine Art »Schuldgefühl des
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