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Weiberabend: Roman (German Edition)

Weiberabend: Roman (German Edition)

Titel: Weiberabend: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne Fedler
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Überlebenden« hinzu. Ein schlechtes Gewissen wegen unserer unaussprechlichen Erleichterung darüber, dass es nicht uns getroffen hat.
    ***
    Ereka kommt von draußen zurück. Sie lächelt. Sie wirkt gefasst und windzerzaust. »Es ist herrlich da draußen«, sagt sie, und in ihrer Stimme liegt ein leichtes Summen. Ich versuche mir vorzustellen, wer sie war, bevor Olivia geboren wurde. Hat sie tiefer aus dem Bauch heraus gelacht oder schon immer ein wenig flach? Ich frage mich, ob das Unbekannte sie früher erschreckt oder neugierig gemacht hat; und ob sie als Kaugummi kauendes Schulmädchen, als Teenager im selbst gebatikten Zigeunerlook oder als leicht verrückte, mit Farbe bekleckste Künstlerin jemals innegehalten hat, weil die Vorahnung eines Lebens, das an ein »behindertes Kind« gefesselt ist, einen Schatten über ihr jugendliches Glück warf. Ich habe sie erst vor zwei Jahren kennengelernt, da war Olivia schon vier. In einem Augenblick seltener, wahrer Vertrautheit mit ihr durfte ich einen Blick auf einige ihrer Bilder werfen – viele Selbstporträts und ein umwerfendes Gemälde von Olivia in Blautönen, »weil sie bei der Geburt so blau war«, erschreckend und von eigenartiger Schönheit. Ganz Frida Kahlo.
    »Die habe ich für dich aufgehoben«, sage ich zu Ereka und deute auf die beiden restlichen Kanapees.
    »Oh, vielen Dank«, sagt sie, greift dankbar zu und hält jedes in einer von Silber beschwerten Hand. »Und, wie fühlst du dich, Helen?«, fragt Ereka mit dem Rauschen des Windes noch in der Stimme.
    »Ein bisschen besser«, sagt sie. »Ich esse nicht mehr nur Nougat und Cheeseburger. Inzwischen habe ich mich zu Kentucky Fried Chicken und Pizza Hawaii vorgearbeitet.«
    »Du siehst gut aus«, sagt Ereka.
    Helen lächelt breit, ganz ohne Arg oder falsche Sentimentalität. »Irgendjemand muss es ja tun«, sagt sie lachend.
    Ereka lächelt, aber dünner. »Du meine Güte, die sind göttlich«, sagt sie, kaut und schluckt. »Manchmal vergesse ich, wie lecker Essen schmecken kann …
    Wer kommt mit mir essen?«, fragt sie dann und geht klimpernd zum Tisch.
    Helen und ich antworten sofort: »Wir kommen«, und gesellen uns zu ihr.
    »Hey, Mädels«, sage ich und versuche, die anderen zusammenzutreiben. »Wer möchte schon etwas essen?«
    Keine der anderen beachtet mich. Fiona massiert CJs linke Hand und versucht, irgendwelche »Druckpunkte« zu finden, die gegen ihre Kopfschmerzen helfen sollen, Liz blättert in einer Glamour, Dooly neben ihr schleckt gerade die letzten Reste Erdbeer-Daiquiri aus ihrem Glas. Meine Freundinnen lümmeln im Wohnzimmer von Helens Eltern auf den bequemen Sofas herum. Dämmriges Licht berührt alles, was das Auge sieht.
    Genau dieser Meerblick, diese weite Wasserfläche, die bis zum Horizont reicht und dahinter versinkt, hat es mir an vielen Tagen möglich gemacht, ruhig und gesammelt zu bleiben, wenn ich das Gefühl hatte, in ein tiefes, dunkles Loch abzurutschen, weil ich mich unerträglich nach meiner Heimat sehne. Diese Frauen sind für mich ein Familienersatz geworden, seit wir vor drei Jahren Südafrika verlassen haben. Diese Freundschaften sind alles, was mich vor völliger Isolation und unerträglicher Einsamkeit bewahrt. Ein warmes Gefühl der Dankbarkeit für ihre tröstliche Gegenwart steigt in mir auf.
    »Also habe ich irgendwann nachgegeben und Tyler ein Plastik-Maschinengewehr gekauft«, höre ich Dooly zu Liz sagen. »Jetzt rennt er im Haus herum und rattert mit dem Ding auf alles los.«
    »Das wird ihm schon nicht schaden«, sagt Liz und klappt gemächlich die Zeitschrift zu. »Lass ihn sich jetzt austoben, dann wird er später nicht mit einem echten Maschinengewehr McDonald’s überfallen.«
    Dooly seufzt, nicht ganz überzeugt, und wickelt ein Ende des Schals um ihr Handgelenk. »Aber der Lärm macht Max wahnsinnig. Du weißt ja, dass seine Medikamente seine Sinne empfindlicher machen.«
    »Dann kauf ihm auch eins«, sagt Liz und nippt an ihrem Wein. »Wahrscheinlich hätte das eine therapeutische Wirkung.«
    Dooly lacht leise. »Ja, das ist mal eine Idee …«
    Liz ist vollkommen selbstbesessen. Neben Dooly wird das extrem deutlich. Wenn Liz spricht, befiehlt sie damit: »Hört mir zu«, und strahlt deutlich aus, dass sie Gehorsam erwartet. Wenn man den ganzen Tag in einer hierarchisch gegliederten Umgebung verbringt, wo jedes Wort, das man sagt, notiert wird, wo jeder Wunsch befolgt wird und jedes Stirnrunzeln irgendeinem Angestellten die Woche verdirbt, ist

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