Weiberabend: Roman (German Edition)
bereichernden Küchensinn). Ich war ein Schatten meines früheren Selbst. Ein Scheibchen. Eine Joanna julienne, fein abgeschnitten vom kräftigen Stück meiner akkumulierten Identität. Mir wurde nun klar, welche Folgen diese Aufopferung hatte – der Verlust meiner persönlichen Geschichte, meines beruflichen Status, meiner Position in der Welt, von Freundschaften, Netzwerken, unausgesprochenen Verbindungen zu Menschen, Orten, Gerüchen. Alles, was übrig blieb, war die Mutter in mir.
An manchen Tagen schluchzte ich untröstlich vor mich hin, ohne Grund, den ich hätte benennen können. Ich musste eine gute Mutter sein. Das war alles, was mir geblieben war. Ich bemühte mich, meinen Kindern das Gefühl zu vermitteln, dass ihr Leben reich, erfüllt und großartig sei, dass es ein Privileg sei, so weit weg von den hohen Mauern, den Ungerechtigkeiten Afrikas aufzuwachsen. Aber an den meisten Tagen versagte ich kläglich, weil meine Verzweiflung für diese kleinen Augen viel deutlicher war als die leeren Worte, die mir über die Lippen kamen.
Meine Universitätsabschlüsse waren in Australien nichts wert, ich galt als für nichts qualifiziert. Frank musste sein Jura-Examen noch einmal machen. Ich kaufte ein, kochte, putzte und bemutterte. Manchmal drohte unsere Beziehung an den Nähten zu bersten, weil sowohl ich als auch er das Gefühl hatten, am meisten aufgegeben zu haben und die ganze Last unserer Auswanderung allein tragen zu müssen. An manchen Abenden, wenn wir uns nach einem hitzigen Streit wieder versöhnt hatten, schlichen wir uns ins Kinderzimmer und betrachteten unsere schlafenden Kinder. »Deshalb sind wir hierhergekommen«, erinnerte er mich dann. Und diese einfache Feststellung, die Tatsache, dass das richtig war, tröstete mich. Was war schon mein eigenes Glück, gemessen an der Sicherheit meiner Kinder?
Meine Kinder werden nie wissen, wie schön es ist, nach dem Kindergarten von einer Großmutter abgeholt zu werden, um Eis zu essen oder Enten zu füttern. Frank und ich werden die nächsten zehn Jahre wohl ohne Essen in romantischen Restaurants überleben müssen, denn unser Budget gibt nicht genug her für einen Babysitter, und es gibt keine Großeltern, die in die Bresche springen könnten. Wir werden unsere Geburtstage trotzdem feiern, und wenn wir uns dazu einen ganzen Haufen Freunde ausleihen müssen. Wir werden nach vorn schauen, nicht zurück, uns auf das Positive konzentrieren und nicht dem Verlorenen hinterhertrauern. Ein tapferes Gesicht aufsetzen. Um der Kinder willen.
Ich bin tief in nostalgischen Gedanken verloren, als ich Fionas kraftvolle Hände auf meinen Schultern spüre.
»Alles in Ordnung, Jo?«, fragt sie. Die anderen sind alle schon an den Esstisch umgezogen, ohne mich.
»Bestens«, sage ich. »Kann ich dir einen Teller bringen? Was möchtest du essen?«
»Aber sicher will ich essen. Was kannst du mir denn empfehlen?«
Dank der Ablenkung unseres Festmahls gelingt es mir, mich aus dem Griff des Selbstmitleids zu befreien und mich in die großzügigen Freuden guter Freundinnen und guten Essens hinübergleiten zu lassen.
4 Von Tellern lesen
I ch lasse den Blick über mein Königreich schweifen. Vom Kopf der Tafel aus kann ich meine sieben Freundinnen sehen, und ihre Teller. Einige haben sich nicht zurückgehalten, sondern ihre Teller mit Bergen von Essen beladen, als wäre dies das letzte Abendmahl. Andere, vorsichtiger, kalorienbewusst, haben eher symbolische Häppchen von den Platten auf ihre Teller transferiert und nehmen nur halbherzig an diesem uralten Ritual des Festessens teil. Ich weiß, dass ich eine Nervensäge sein kann, wenn ich Menschen füttern will. Ich bringe als mildernden Umstand vor: Ich bin eine jüdische Mutter. Mein innerstes Wesen ordnet an, dass ich Menschen mit Essen glücklich machen muss.
Aber nicht jeder zieht dieselbe Befriedigung aus dem Essen wie ich. Manche Menschen finden Essen offenbar ebenso aufregend wie den morgendlichen Besuch im Badezimmer. Liz zum Beispiel. Ich empfinde die Tatsache, dass sie dem Essen völlig gleichgültig gegenübersteht, als Makel ihrer Persönlichkeit. Ich hege grundsätzlich den Verdacht, dass eine lauwarme Reaktion auf meine Kochkunst nur ein Symptom wesentlich tieferer und dunklerer Unzulänglichkeiten ist. Einer seelischen Knauserigkeit. Einer sinnlichen Schäbigkeit. Und ich suche bei ihr ständig nach diesen unverzeihlichen Schwächen. Ich kann ihre Fähigkeit, sich selbst entschlossen an die erste Stelle zu
Weitere Kostenlose Bücher