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Weiberabend: Roman (German Edition)

Weiberabend: Roman (German Edition)

Titel: Weiberabend: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne Fedler
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fertig werden. Sie amüsiert sich immer königlich über mich, weil ich gleich in Panik gerate, wenn Jamie über Bauchschmerzen klagt. »Gib ihr einfach ein Glas Wasser, oder ein Paracetamol«, sagt sie gutmütig, während ich überlege, wohin ich jetzt sofort mit Jamie zum Ultraschall gehe, und ob unser Knochenmark wohl kompatibel ist. Während die meisten von uns schaudern, wenn unsere Kinder über Kopfschmerzen klagen, sie zur Computertomographie schleifen und ihnen Blut abnehmen lassen, bringt sie die ihren einfach früh ins Bett. »Müde«, behauptet sie. Das ist ihre ständige Erwiderung auf sämtliche Probleme, die mit Kindern zu tun haben, und wenn sie in einem Punkt gnadenlos ist, dann in ihrem unerschütterlichen Beharren darauf, dass Kinder früh ins Bett müssen. Ihre Kinder liegen jeden Abend um halb acht im Bett und schlafen ein. Ohne, dass sie sich dazulegt.
    Ja, ich gebe es zu, ich bin eine Mutter, die sich abends zu ihren Kindern legt. Tams Forschung erklärt dies zu einer der zehn Todsünden der Mutterschaft. Aber eigentlich fing es ganz harmlos an. Als Neugeborenes war Jamie so klein, dass sie auf einem Kissen in meine Armbeuge passte, wo sie während der Nacht problemlos an meiner Brust trinken konnte. Aber als sie anfing, sich herumzudrehen (»kluges Mädchen!«), wurde die Bettkante zum Abgrund, also wurde Jamie in die Mitte des Bettes verlagert. Frank beschwerte sich über diesen Keil zwischen uns, aber für mich war sie »die Butter, die das Sandwich zusammenhält«. Wenig später schlief sie tief und fest in ihrer Lieblingsstellung, auf der Seite, und trat mich in den Bauch und Frank in die Hoden, während Frank und ich uns an die Bettkante klammerten. Als Aaron zur Welt kam, erschien mir unser großes Doppelbett dann doch zu klein für vier. Frank, der Menschenansammlungen ohnehin nicht schätzt, wurde es im Bett zu stressig. Er zog sich auf den Wohnzimmerboden zurück, um endlich in Ruhe schlafen zu können. Ich schaffte es tatsächlich irgendwann, die kleinen Leute aus unserem Bett in ihre eigenen zu verfrachten. Aber da war es schon zu spät.
    Daher ist es keine Überraschung, dass ich mich, obwohl Jamie jetzt siebeneinhalb und Aaron vier Jahre alt ist, immer noch zu ihnen ins Bett lege, damit sie einschlafen. An den meisten Abenden schätze ich diese kurze Zeit der Nähe und Verbundenheit, wenn sich kleine Arme um meinen Nacken schlingen und kleine Finger mit meinem Haar spielen und gewaltiges Gähnen zu tiefen Atemzügen wird. Das gibt mir die Chance, mich von allen erzieherischen Untaten des Tages reinzuwaschen. Ich kann sie durch meine Liebe wieder näher zu mir heranholen und sie stumm für alle Ungerechtigkeiten, die ich ihnen zugefügt habe, um Verzeihung bitten. Ich kann hoffen, dass sie all die Reizbarkeit vergessen, das Anschnauzen und Schreien, für das sie doch nichts konnten, und das mehr mit gehäuft auftretenden Ärgernissen zu tun hatte, wie etwa, dass Frank gestern Abend so spät nach Hause gekommen ist, dass die Ladung weißer Wäsche mit rosa Schlieren von weiß Gott was verfärbt ist, oder dass ich das Kapitel, an dem ich gerade arbeite, irgendwie nicht richtig hinbekomme. Zumindest weiß ich eines: So erbärmlich ich mich tagsüber vielleicht verhalten habe, meine Kinder sind glücklich eingeschlafen, in dem Wissen, dass sie unglaublich geliebt werden. Aber an vielen Abenden wünsche ich mir auch eine Abkürzung, damit ich endlich weitermachen und die Wäsche zusammenlegen kann, oder das Gedicht schreiben, das mir die ganze Zeit über im Kopf herumgeht, oder mein Abendessen aufessen, oder auf der Toilette in Ruhe das große Geschäft erledigen, zu dem ich schon den ganzen Tag lang nicht gekommen bin, jemanden anrufen oder Franks Anwesenheit zur Kenntnis nehmen.
    »Ich habe eine sehr wissenschaftliche Methode, mit der man herausfinden kann, ob es ein Junge oder ein Mädchen ist«, sage ich zu Helen.
    »Sag schon«, erwidert sie.
    Ich stehe vom Tisch auf, suche meine Handtasche und hole einen kleinen purpurroten, mit Pailletten besetzten Beutel heraus – die Überlebensausstattung von meiner Mutter mit mehreren Pflastern, Nadel und Faden, einem Schweizer Taschenmesser mit Pinzette zum Entfernen von Bienenstacheln, einer kleinen Flasche Teebaumöl, das man bei Schnittverletzungen, Prellungen oder Insektenstichen anwenden kann, eine kleine Nagelschere für abgebrochene Zehennägel und ein verwickeltes Stück Schnur, von einem Jojo oder einem Drachen. Und ein

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