Weiberabend: Roman (German Edition)
haben irgendeine Form von Hängebauch, wenn nicht gar einen richtig ausgewachsenen Sackbauch. »Ich gucke deinen Hängebauch nicht an«, sagt sie. »Ich biete nur dem Pendel eine möglichst direkte Verbindung zu deinem Baby.«
»Das Pendel kann doch verdammt noch mal durch meine Kleider schauen«, sagt Helen.
»Ich wusste gar nicht, dass du dich mit so was beschäftigst«, sagt Dooly zu mir, neugierig und unsicher. »Mir ist das irgendwie unheimlich.«
»Das ist keine schwarze Magie oder so«, sage ich und sehe zu, wie das Pendel zu schwingen beginnt.
»Was sagt es denn?«, fragt Helen.
»Erst müssen wir herausfinden, was ›ja‹ und was ›nein‹ heißt«, sage ich. »Zeig uns, was ›ja‹ heißt«, weise ich das Pendel an. Langsam kommt es zur Ruhe und bewegt sich dann gegen den Uhrzeigersinn im Kreis.
»Kreiseln?«, fragt Fiona.
»Lass ihm noch einen Moment Zeit«, sage ich.
Nach ein paar Sekunden schwingt das Pendel unverkennbar von links nach rechts.
»Seitwärts«, stellt CJ fest.
Die Stimmung ist nun ernster geworden.
»Haben das alle gesehen?«, frage ich. Dann stoppe ich das Pendel mit der freien Hand.
» Du musst die Richtung geändert haben«, sagt Helen.
»Ich habe überhaupt nichts getan«, sage ich. »Hier, versuch du es mal.« Ich reiche ihr das Pendel.
Sie nimmt es und hält es über ihren Bauch.
»Frag es, was ›ja‹ bedeutet«, sage ich.
Sie wirkt verlegen, sagt aber nichts.
Das Pendel beginnt, vor und zurück zu schwingen. Wir hocken alle da und beobachten sie. Sie bleibt stumm. Das Pendel bewegt sich in immer größeren Bögen, doch nach ein paar Sekunden wird es langsamer, schlägt einen kleinen Kreis im Uhrzeigersinn ein und schwingt bald stark von links nach rechts.
Helen macht große Augen. »Oh. Mein. Gott«, sagt sie.
Ich lache. Ich habe schon oft erlebt, wie ein Skeptiker blass wird, wenn das Pendel auf einmal die Richtung wechselt.
»Du hast die Frage stumm gestellt«, sage ich zu ihr.
Sie verzieht das Gesicht. »Das ist unheimlich. Das gefällt mir nicht.«
Die Atmosphäre knistert nun geradezu vor Spannung.
»Frag das Baby, ob es ein Mädchen ist«, sagt Dooly.
Helen hält das Pendel nun mit neuer Ehrfurcht in der Hand. Dieses Mal fragt sie laut: »Ist mein Baby ein Mädchen?«
Schweigend starren wir wie gebannt das Pendel an. Es bewegt sich lange gar nicht.
»Vielleicht ist es sich noch nicht sicher«, sagt Helen.
»Warte nur ab«, sage ich.
Wir warten. Und das Pendel beginnt sich zu bewegen, langsam, aber unübersehbar. Bald schwingt es in kräftigen Bögen aus. Hin und her. Rechts, links.
»Das sieht für mich nach einem Nein aus«, sagt Fiona sanft.
»Noch ein Junge«, sagt Dooly und atmet erleichtert auf; der Name ihres Babys, Cassandra, verbleibt nun sicher im Reich der Dinge, die hätten sein können.
Meine Kehle ist ein wenig eng, mich zwickt das Gewissen. Ein Geheimnis zu verraten, eine Katze aus dem Sack zu lassen, die nicht herausgelassen werden wollte, ist eine Treulosigkeit, die man nicht wiedergutmachen kann.
»Es tut mir leid«, sage ich zu Helen.
»Dämliches Pendel«, schimpft Helen. »Ich glaub sowieso nicht daran.«
»Jungen sind großartig«, schwärmt Tam.
»Ja, ja«, sagt Helen. »Ich hol mir noch was zu essen.« Sie rappelt sich auf und streckt sich mit den Händen im Kreuz, bevor sie zurück zum Esstisch schlurft. Der Rest folgt ihr, eine nach der anderen.
Ich bleibe auf dem Boden hocken, das Pendel noch in der Hand.
Als Tam aufsteht, sagt sie zu mir: »Manche Dinge bleiben besser im Ungewissen.«
Allein im Wohnzimmer, gestehe ich mir ein, dass Tam recht hat. Ungewissheit ist eine Art Hoffnung. Aller Glauben beruht auf Nicht-Wissen. Und als Mütter brauchen wir jedes Gramm davon. Wer bin ich, dass ich die Seifenblasen zerplatzen lasse, die diesen Optimismus bewahren, und sei er noch so illusorisch?
Ich bin eine Idiotin. Die einzige Lösung ist, jetzt die Artischocken aufzufahren.
6 Meine liebsten Dinge
W enn Rote Beten die intensivsten aller Gemüse sind, wie Tom Robbins im ersten Absatz von Pan Aroma schreibt, dann sind Artischocken die nachtragendsten. Sie erfordern, dass man sich von Anfang an voll engagiert. Man muss bereit sein, bei einer Artischocke aufs Ganze zu gehen, und zwar schon bei der ersten Verabredung. Ich rede hier nicht von der zerteilten, entblätterten Variante in Salzlake, die man im Glas kaufen kann. Ich meine die frischen, rosigen Knollen von der langstämmigen Sorte, die man nur beim
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