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Weiberabend: Roman (German Edition)

Weiberabend: Roman (German Edition)

Titel: Weiberabend: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne Fedler
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sind eine persönliche Inventur meiner selbst, meine Art, Dinge festzuhalten, die vergehen. Sie sind außerdem kleine Zugeständnisse an den schleichenden Gedächtnisverlust – das Anästhetikum des Lebens und der beste Verbündete einer Mutter. Denn seien wir doch mal ehrlich: Es ist keine zufällige Laune der Natur, dass unsere Erinnerung fast vollständig ausgelöscht wird: an die Übelkeit infolge der Epiduralanästhesie, die Schmerzen der Geburt und die bittere Erschöpfung, wenn man (zum fünften Mal binnen fünf Stunden) aufwacht, um ein kreischendes kleines Würmchen zu säugen. Ansonsten würden wir uns nie bei dem Gedanken ertappen, dass es vielleicht schön wäre, noch eines zu bekommen? Wenn wir uns daran erinnern könnten, wären wir alle wie Fiona. Eines ist genug, danke sehr. Erneute Mutterschaft gründet auf dem Gebot »Du sollst vergessen«. Das Vergessen ist sozusagen eingebaut; während unsere Liebe und Hingabe für diese kleinen Bettwanzen wächst, verblassen die masochistischen Hürden, die wir für sie überwinden mussten, im Nebel des »ach, damals«.
    »Also, abgesehen von Artischocken, was sind deine liebsten Dinge?«, fragt Helen und saugt an einem weiteren Artischockenblatt.
    »Ich weiß, was ich am wenigsten mag«, mischt sich CJ ein. Auch sie hat sich eine Artischocke genommen und schiebt sie nun auf ihrem Teller herum, weil sie sich ihres Eröffnungszugs noch unsicher ist.
    »Was denn?«, fragt Dooly.
    »Einkaufen mit Kindern«, sagt CJ. Wir alle murmeln zustimmend.
    Sie fährt fort: »Ich könnte Geld darauf wetten – sobald ich zwanzig Minuten in der Schlange gewartet und die Kinder mit Lutschern abgelenkt und die Reiscracker schon mal aufgemacht habe und sie mit meinem Schlüsselbund, der Geldbörse und den Tampons habe spielen lassen, die natürlich alle irgendwann auf dem Boden landen – sobald ich also an der Reihe bin, brüllt Scarlett aus voller Kehle: ›Ich muss aufs Klo. Jetzt gleich.‹« CJ attackiert die Artischocke, indem sie die schützenden Blätter in großen Klumpen absäbelt. Ich kann kaum hinsehen.
    »Tam, gibt es nicht irgendeine neueste Forschung, die nachweist, dass das Einkaufen von Lebensmitteln auf Kinder entwässernd und abführend wirkt?«, frage ich.
    Tam verzieht das Gesicht. »Na ja, Einkaufen wird in der Positiven Erziehung als eine dieser ›risikobehafteten‹ Situationen betrachtet«, erklärt sie. »Man muss sich vorher einen Plan zurechtlegen, um so etwas zu verhindern.«
    »Gestern war ich mit Cameron einkaufen, und mitten im vollen Supermarkt hat er aus voller Kehle geschrien: ›Ich hasse dich, du bist die schlimmste Mami der Welt‹«, erzählt Helen. »Ich hatte ihm gerade gesagt, dass er kein Eis haben durfte, dabei hatte er noch den halben Hamburger und ein Happy-Meal-Spielzeug in der Hand. Der kleine Scheißkerl.«
    »Wahrscheinlich war er müde«, sagt Tam.
    »Das ist mein Spruch«, belehrt Helen sie.
    »Ich finde Restaurantbesuche mit Kindern am schlimmsten«, sagt Ereka, die geübt und lässig eine Artischocke entblättert. »Denn wenn das Restaurant keine abgeschlossene Spielecke hat, weit genug von der nächsten Straße entfernt ist und Chicken Nuggets und Pommes für weniger als vier Dollar zum Frühstück, Mittag- und Abendessen serviert, warum es überhaupt erst versuchen?«
    »Restaurants sind etwas für schöne Menschen«, sagt CJ, »kinderlose, manikürte, Mineralwasser trinkende schöne Menschen. Nichts für uns.« Sie wendet sich mir zu. »Würdest du mir die ganzen Blätter abmachen, damit ich das Herz probieren kann?«
    Ich würde ihr gern vorhalten, dass sie eine makellose Artischocke bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt hat. Aber ich nehme ihren Teller und entferne sanft die Überreste des schützenden Blattwerks.
    »Wenn ich in ein Restaurant gehe, suche ich mir immer einen Tisch, für den die jüngste, sanfteste Bedienung zuständig ist, weil ich genau weiß, dass ich König Kunde heraushängen und sie glauben machen muss, es sei völlig normal, alle drei Minuten wieder an den Tisch gerufen zu werden«, sagt CJ. »Einmal, um statt der Rühreier auf Toast einen Muffin zu bestellen. Zum zweiten Mal, um das wieder rückgängig zu machen, weil wir nun doch die Rühreier wollen. Und das dritte Mal, damit sie die Rühreier ungegessen wieder mitnimmt – ›wir bezahlen natürlich dafür, aber können wir stattdessen bitte einen Muffin haben?‹ – und weil wir heiße Schokolade bestellen möchten – ›nur eine, aber in zwei

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