Weiberabend: Roman (German Edition)
diese Kinder sind doch erst sechs! –, aber ich habe es natürlich nicht getan.«
»Manchmal muss man sich auch auf die Zunge beißen und sich aus den Angelegenheiten anderer Leute heraushalten«, sagt Tam.
»Und manchmal müssen wir Stellung beziehen und das Richtige tun, auch wenn danach jemand behauptet, man würde seine Nase in fremde Angelegenheiten stecken«, erwidere ich.
»Aber wo da die Grenze ist …?«, bemerkt Fiona sanft.
»Und trotzdem muss man manchmal den Mut haben, sie zu überschreiten«, sagt Dooly und sieht Ereka mit gütigem Blick an.
»Danke, Dooly«, sagt Ereka. »Aber ich fühle mich mies, weil ich Jakes und Ethans Freundschaft damit zerstört habe. Jake sagt zwar, er könne sehr gut verstehen, warum ich das getan habe, aber ich weiß, dass er nicht so gehandelt hätte – Olivia wirft für mich Themen auf, die sich für ihn so nicht stellen, und Jake ist einfach kein Mensch, der andere schlägt. Ich glaube, er hat keinen Funken Brutalität in sich.«
»Nicht einmal, wenn er gestresst ist?«, fragt Helen.
Ereka schüttelt den Kopf.
»Das ist erstaunlich«, sagt Helen. »David ist zur Zeit so gestresst, dass ich das Gefühl habe, er könnte jeden Moment explodieren. Letzten Monat hat er die Kinder nur noch angebrüllt, ständig.«
»Warum ist er denn so gestresst?«, fragt Fiona.
»Ich glaube, es liegt an dieser neuen Produktlinie, die er nächstes Jahr herausbringen will, und er will geschäftlich expandieren, und wir mussten dazu noch eine Hypothek auf das Haus aufnehmen. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich wieder schwanger bin«, sagt Helen. »Ich glaube, er macht sich Sorgen, weil ein weiteres Kind natürlich eine weitere finanzielle Belastung ist, und er hat schon gesagt, er käme ja nicht mal dazu, genug Zeit mit den dreien zu verbringen, die wir schon haben.«
»Da hat er durchaus recht«, sagt Liz.
»Er hat angedeutet – mehr als einmal –, dass wir vielleicht über einen ›Abbruch‹ nachdenken sollten. Scheiße, was für ein Wort, Abbruch«, schnaubt Helen.
»Würdest du denn … je eine Abtreibung in Betracht ziehen?«, fragt Tam.
»Nein, nicht, wenn das Baby gesund ist«, antwortet Helen. »Das brächte ich einfach nicht fertig. Das erscheint mir so … barbarisch, vor allem, weil ich schon drei Kinder habe und weiß, was aus einem gesunden Fötus werden kann.«
»Abtreibung ist barbarisch«, sagt Tam. »Ausgesprochen barbarisch.«
»Oh, bitte«, stöhnt Liz. »Wenn ich jetzt noch mal schwanger werden würde, würde ich sofort eine Abtreibung machen und Gott dafür danken, dass ich in einem freien, demokratischen Land lebe, wo mein Leben und meine Wünsche mehr zählen als die angeblichen Rechte einer Kaulquappe. Ich habe die Nase voll von kleinen Kindern.«
»Ich könnte das nie über mich bringen«, sagt Helen. »Und diese Kaulquappe ist in der zwölften Woche schon ein vollständig ausgebildetes Baby.«
»In diesem Fall habe ich zwei vollständig ausgebildete Babys ermordet«, sagt CJ. »Ich habe zweimal abgetrieben … und du hast recht, Helen, es ist grauenhaft.«
»Warum hast du zweimal abgetrieben?«, fragt Tam CJ.
»Mangelhafte Verhütung als Teenager und mit Anfang zwanzig«, sagt CJ.
Tam ist sichtlich aus der Fassung gebracht.
»Zumindest ist David so anständig, die Entscheidung dir zu überlassen«, sagt Ereka.
»Na ja, es ist zwar mein Körper, aber auch seine Angelegenheit.«
»Aber wenn er seinen Penis nicht in deine Angelegenheiten gesteckt hätte, müsstest du dich jetzt nicht mit dieser Angelegenheit befassen«, sage ich.
Hel lacht.
»Ja, aber ich mag es eben, wenn er ab und zu in meinen Angelegenheiten herumstochert …«
»Die Leidtragende ist immer die Frau«, fährt CJ fort. »Die Männer machen sich aus dem Staub, und wir sind diejenigen, die blutend zurückbleiben.«
»Komm schon, CJ«, sagt Dooly und zieht sie auf die Füße. »Schauen wir uns die Lichter auf dem Wasser an.«
Mit dem Instinkt eines Hütehundes lenkt sie CJ hinaus auf den Balkon, wo der uralte, offene Himmel darauf wartet, sämtliche Verluste zu schlucken und im endlosen All verschwinden zu lassen.
10 Wo man die Grenze zieht
D ooly hat sich den Schal wieder um den Hals gewickelt und CJ hinaus auf den Balkon geführt – der Sozialarbeiterin in ihr entgehen die frühen Anzeichen für den Verlust persönlicher Würde nicht. Sie schreitet ein und zeigt CJ den Notausgang zur Selbstachtung, das berühmte »Gehen wir frische Luft schnappen«. Solch kleine
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