Weiberabend: Roman (German Edition)
Gesten können uns retten, die rechtzeitige Intervention einer Freundin; eine kleine Umleitung; die Ablenkung, hinaus in die schützende nächtliche Dunkelheit zu treten. Schlichte Güte wird oft unterschätzt neben all den grandiosen Eigenschaften, nach denen wir streben – Intelligenz, Integrität, Selbsterkenntnis…
Helen steht lautlos auf, geht hinüber zum CD-Player und legt eine CD ein.
»Ist das die CD?«, frage ich. Sie antwortet nicht. Helen hortet einen Stapel »Überraschungen« für mich. »Das wird dir gefallen …« »Warte nur, bis ich dir das zeige …« »Ich habe ein geniales Geburtstagsgeschenk für dich …« Das für mich aufgesparte Bonbon – irgendein Gerücht, das mich überhaupt nicht interessiert, ein albernes ›Frauenbuch‹, das ich nie lesen würde, eine DVD mit einem Film, den ich schon gesehen habe – versagen immer wieder darin, mich in Begeisterung zu versetzen, aber ich werde dieser Geschenke trotzdem nie müde, wegen ihrer Art, die nichtigen Kleinigkeiten im Leben so zu schätzen. Unsere Tage sind lasch vor häuslicher Trivialität, überwuchert von nichts Besonderem, und der beste Schutz dagegen ist diese Fähigkeit von Helen – eine volle Breitseite mit ihrem unsäglich ansteckenden Lachen und ihrer verrückten Feierstimmung.
Die Musik fängt an, und die Botschaft des Songs lautet, dass man ein hässliches Mädchen heiraten sollte, wenn man für den Rest seines Lebens glücklich sein will, weil schöne Mädchen nur Ärger bedeuten. Frauenfeindlicher Mist, aber dennoch ein guter Beat, der sagt: Steh auf und tanze. Helen dreht die Lautstärke auf, packt mich an der Hand und zieht mich hoch. Sie tanzt den Boogie, wie nur eine kleine, rundliche, lockige Frau in Stiefeln Boogie tanzen kann, rammt mich mit ihrem gut gepolsterten Hinterteil und lässt absurd das Becken kreisen. Ich ahme sie nach, und wir beide brüllen vor Lachen. Nach ein paar Minuten geht mir die Puste aus.
»Ich brauche noch was zu trinken«, sage ich.
»Ich auch«, sagt sie und folgt mir zum Esstisch.
Die Riesenschüssel Erdbeer-Daiquiri ist leer. Ein grauenhafter Anblick. Trübselig kratzt Helen die letzten Reste mit einem Kaffeelöffel heraus, schlürft selbst den ersten Löffel voll und bietet mir den zweiten an.
»Es hat nach so viel ausgesehen, als ich das Zeug gekauft habe«, jammert sie. »Wie kann es so schnell alle sein?«
CJ und Dooly kommen wieder herein, die Arme umeinandergeschlungen, und Lukes orangeroter Schal schmiegt sich nun um CJs Hals. Die kalte Nachtluft hat CJs Wangen rosig gefärbt; sie wirkt nüchterner, für den Augenblick. Sie streift um den Tisch, um nachzusehen, was noch an Essbarem da ist. Dooly lächelt mir kurz zu. Ich habe eigentlich nie darüber nachgedacht, wie gut sie in ihrem Beruf sein muss, dass sie sicher unermüdlich Mrs. Buchanoltic zustimmt, Eier seien wirklich unverschämt teuer geworden, während sie ihr die Inkontinenz-Windel anlegt, ehe die Dame auf die Straße geht. Für so etwas muss man ein ganz besonderer Mensch sein. Wie ich es nicht bin.
»Wie wäre es, wenn wir meinen Wein aufmachen?«, schlägt Liz vom Sofa aus vor, wo sie sich mit ein paar Kissen unter dem Nacken und im Kreuz drapiert hat.
»Wenn ich durcheinandertrinke, wird mir schwindelig«, sagt Helen.
»Ach, komm schon«, sagt Ereka, »heute Abend kannst du dich nach Lust und Laune betrinken. Du bist außer Dienst.«
»Sie sollte aber nicht zu viel trinken«, sagt Tam. »Schließlich ist sie schwanger.«
»Hast du nichts getrunken, während du schwanger warst?«, fragt Fiona Tam.
Tam schüttelt den Kopf. »Ich habe auch weder Sushi noch Austern gegessen, weil Toxoplasmose das Ungeborene schädigen kann. Ungewaschenes Gemüse ist auch gefährlich. Da können Listerien dran sein, Salmonellen und Campylobacter-Bakterien. Eine Infektion damit sollte man unbedingt vermeiden, solange sich der Fötus entwickelt.« Tam sollte für einen Orden vorgeschlagen werden, den Besser-Als-Alle-Anderen-Wisser-Orden.
CJ schnaubt. »Also, ich habe während meiner Schwangerschaften getrunken, geraucht und gegessen, was ich wollte, und meine Kinder sind kräftig und gesund. Ich finde diese Entbehrungen im Namen des Ungeborenen ein bisschen übertrieben, meint ihr nicht auch?« Sie nimmt sich ein Sushi und sucht nach der Sojasauce.
»In der kleinen Schüssel da«, sage ich und deute auf die Schüssel mit der grünen Blatt-Dekoration.
»Nein, das finde ich nicht«, sagt Tam. »Es ist doch kein großes Opfer,
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