Weiberabend: Roman (German Edition)
dalag und zuhörte, wie Jamie Verpackungen aufriss und sich durch einen Berg neuer Geschenke wühlte, von denen jedes ihre Aufmerksamkeit für etwa dreißig Sekunden fesselte, wurde ich von tiefster Depression verschlungen. Ich schwor hoch und heilig, nie wieder eine Kindergeburtstagsparty zu veranstalten. Das war’s. Aus und vorbei. Frank setzte sich neben mich aufs Bett. »Du machst dir zu viele Gedanken«, sagte er. »Es war doch nur ein Kindergeburtstag.« Aber dann fügte er sanfter hinzu: »Ihnen ist es egal, wie viel Mühe du dir damit machst. Mehr ist auch nie genug. Ehrlich, wenn es um Kinder geht, ist weniger immer besser.«
Die schlichte Wahrheit dieser Bemerkung traf mich wie eine Faust an der Schläfe. Beklommene Einsicht dämmerte. Warum hatte ich eigentlich so einen Zirkus gemacht? Wegen Jamie? Nein – sie wäre mit einem Fünf-Dollar-Biskuitkuchen mit fünf Kerzen drauf und einem Kinobesuch zufrieden gewesen, solange ich das Ganze nur als ihre »Geburtstagsparty« bezeichnete. Hatte ich das für mich getan? Ich kann dekorative Schokoblätter im Schlaf gießen und Pilze schneller füllen als mein Schatten – ich brauche mir nichts zu beweisen. Nein, so erbärmlich sich das auch anhören mag, das war meine Botschaft an die Welt: »Seht her, was für eine tolle Mutter ich bin. Schaut nur, welche Mühe ich mir gebe, damit der Kindergeburtstag meiner Tochter etwas ganz Besonderes wird. Seht ihr auch alle, wie viel Zeit und Mühe ich da hineingesteckt habe? Bin ich nicht eine gute Mutter?«
Aber in Wahrheit hat niemand meine ungeheuren Anstrengungen zur Kenntnis genommen oder gewürdigt, und diejenigen, die sie zur Kenntnis nahmen, erklärten mich für verrückt. Helen, die für die Geburtstagspartys ihrer Kinder zwei Tiefkühlpizzen in den Ofen schiebt und eine DVD ausleiht, machte sich geradezu über mich lustig. »Du bist echt masochistisch veranlagt«, gackerte sie höhnisch. Ich nehme an, so ungern ich das auch zugebe, dass ich unbestritten als meines eigenen Unglücks Schmied gelten kann.
»Wer hat noch Lust auf Nachtisch?«, fragt Helen nun, nachdem sie gerade eine zweite Portion von allem vertilgt hat. Der leere Teller ruht auf ihren Knien, und Spuren von Kokosmilch und ein einsames Blatt Rucola markieren den Spielstand ihrer zweiten Runde.
»Ich!«, ruft Ereka.
»Also gut. Dann warten wir, bis Mary Poppins zurückkommt und uns ihre Schokolade schmilzt«, sagt Helen. Sie nimmt das Rucola-Blatt, wischt damit die Kokosmilch auf und steckt es sich in den Mund.
Von unserem sicheren Platz hinter den Kulissen aus kichern wir unser boshaftes Urteil über Tam und genießen die Tatsache, dass sie für den Moment im Rampenlicht der Kritik steht, und nicht wir. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann wir ihren Platz einnehmen werden. Irgendwann werden wir alle versagen und für unzureichend befunden werden. Sogar von unseren liebsten Freundinnen.
Wenn ich so darüber nachdenke, kenne ich nur einen Menschen, der es mir erspart hat, mich zu verurteilen. Und natürlich habe ich mich bis über beide Ohren in ihn verliebt. Frag irgendeine frisch gebackene Mutter, und sie wird dir sagen, dass sie in ihren Kinderarzt verknallt ist. Helen witzelt immer, dass sie ständig auf der Suche nach einem Vorwand ist, um ihre Kinder zu Dr. Strickland bringen zu können. Er ist im mittleren Alter, hat einen Bauch und kämmt sich ein paar dünne Haare über seine Glatze, und sie ist verrückt nach ihm, weil »er einfach so … so … nett zu mir ist. Er fragt mich, wie es mir geht, und wartet tatsächlich die Antwort ab. Es interessiert ihn, dass ich wenig Schlaf bekomme, und er tröstet mich, dass das bald vorbei wäre«. Und dann, fügt sie mit verträumtem Blick hinzu, »legt er mir eine Hand auf die Schulter, wenn ich gehe, und sagt mir, ich solle ›gut auf mich aufpassen‹«. Das ist Verführung nach allen Regeln der Kunst, wenn du mich fragst.
In diesen ersten Monaten nach der Geburt eines Babys ist der Kinderarzt praktisch der einzige männliche Erwachsene, den wir sehen. Abgesehen von unseren deprimierten, sexuell ausgehungerten Ehemännern. Kurz nach Aarons Geburt habe ich im Operationssaal die Augen des Kinderarztes über der Gesichtsmaske gesehen. Er behandelte mein Baby so zärtlich und respektvoll, dass er damit mein Begehren erregte, obwohl ich wegen der Anästhesie von der Taille abwärts kaum etwas spürte und mein klaffender Bauch mit offen daliegenden Eingeweiden auf das Nähen wartete. In den
Weitere Kostenlose Bücher