Weiberabend: Roman (German Edition)
ohne sie nicht mal diese Kinder ins Bett bringen«, sagt Helen, die mit einem vollen Teller ins Wohnzimmer kommt.
»Aber warum lässt sie es überhaupt an?«, fragt CJ. »Wenn es ausgeschaltet wäre, müsste er einfach irgendwie klarkommen, oder?«
Wir geben ihr im Stillen recht. Tam, das wissen wir, ist eine »perfekte Mutter«, aber in diesem überzuckerten Lob steckt der saure Kern unserer Kritik. Manchmal kann man auch zu perfekt sein, denke ich mir, während ich sie beobachte; sie steht mit dem Rücken zu uns auf dem Balkon. Ist ihre Sorte Mutterschaft ein angeborenes Überfließen von Emotionen, oder künstlich aufgeblähte Überkompensation … aber für was? Ihre eigene Mutter, die ihre Liebe an Bedingungen knüpfte? Ein Ablenkmanöver, um sich emotional nicht mit Kevins Untreue auseinandersetzen zu müssen? Welche eigenartige Sorte seelischen Leidens ist für diese nie erlahmende Hingabe verantwortlich? Ein Glück, dass Tam unsere Meinung über sie völlig gleichgültig ist. Nicht einmal in diesem innersten Zirkel ist man ganz sicher. Selbst unter jenen, die uns am nächsten stehen, lässt uns diese Frage vor Furcht erstarren: »Was werden sie bloß von mir denken?«
»Sie ist immer im Dienst«, sagt Liz, als hätte sie meine Gedanken gelesen.
»Sie will es ja nicht anders«, bemerkt CJ.
Unsere Illoyalität, so plötzlich aufgeflammt, fühlt sich auch noch gut an. Unbehaglich rutsche ich auf dem Sofa herum. Aber ich tröste mich mit dem Wissen, dass Tam hinter verschlossenen Türen auch über mich spricht. Helen hat ein paar Bemerkungen ausgeplaudert, die Tam über Aaron und meine Erziehung gemacht hat. Unter uns herrscht stillschweigende Übereinkunft darüber, dass wir, sobald wir den anderen den Rücken kehren, Freiwild sind. Helen und ich haben öfter über Tams Neurosen getratscht – dass ihr ganzes Gerenne und Getue für die Kinder nur eine Ablenkung ist, weil es einfach zu schwer für sie wäre, sich Kevins Affären zu stellen. Liz und ich waren uns schon einig, dass »Ereka Kylie nur endlich sagen müsste, dass ein für alle Mal Schluss ist mit dem Stillen«. Fiona und ich haben laut darüber nachgedacht, wie sich CJs sexuelle Frustration später im Leben ihrer Kinder auswirken wird. Wenn Liz keine Zeit hatte, zu einem Treffen zu kommen, haben wir uns alle eifrig darum gedrängt, sie dafür zu kritisieren, dass sie sich so aus dem Leben ihrer Kinder heraushält, wie eine Schar hungriger Hennen vor der Futterschale.
»Meint ihr, dass ihr je Zweifel kommen, dass das, was sie tut, falsch sein könnte?«, frage ich. »Ich meine, ich habe so oft das Gefühl, einen Fehler gemacht zu haben … aber ich glaube nicht, dass sie das je denkt.«
»Denkt sie auch nicht«, sagt Helen.
»Sie macht jedenfalls nicht den Eindruck …«, sagt Dooly.
»Und wenn, dann würde sie das uns gegenüber nie zugeben …«, sagt Ereka.
»Vielleicht könnten wir sie mit Gluten foltern und ihr ein Geständnis abpressen …«, sagt Liz boshaft.
Wir kichern. Als Mütter stehen wir vor einer immer gegenwärtigen Jury – Nachbarn, Fremden in der Supermarktschlange, den Lehrerinnen unserer Kinder, und natürlich anderen Müttern. Den Schein zu wahren und das Geständnis zu verweigern, das wir Tam so gern abringen würden, ist deshalb lebenswichtig. Mütter müssen, genau wie Zauberkünstler, die Illusion ausstrahlen, alles im Griff zu haben, als gehöre dieses kreischende, brüllende Anhängsel an unserem Bein zur Nummer dazu: »Gaylord hatte heute einen schlechten Tag«; »Seymor ist nur müde«; »Angelina ist enttäuscht, weil wir schon gehen müssen.« Wir tun so, als ließe uns diese ständige Anstrengung nicht an den Nähten aufreißen. Als sehnten wir uns nicht danach, dieses Ding abzuschalten, am Straßenrand auszusetzen oder bei E-Bay zu verkaufen. Als hätte der Marmelade- oder Schleimfleck auf unserer Bluse keinerlei Auswirkung auf unsere Selbstachtung. Als gehörte es zu unserem Plan, mit einem Aufkleber auf dem Hintern aus dem Haus zu gehen, auf dem steht: »Fette Lügnerin« oder »Vorsicht, Furzgefahr«.
»Zumindest braucht sie sich um das DOCS keine Sorgen zu machen«, sagt CJ. »So wie ich es ständig tue.«
Die Kinder- und Jugendfürsorge, das Department of Community Services (DOCS) ist stets auf der Suche nach denjenigen unter uns, die trotz des bestätigenden Nickens der Natur – ja, du bist geeignet, Mutter zu werden –, völlig ungeeignet dafür sind. Verhaltensweisen wie Misshandlung,
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