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Weiberabend: Roman (German Edition)

Weiberabend: Roman (German Edition)

Titel: Weiberabend: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne Fedler
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eilig, die Kinder von der Schule abzuholen, und war ziemlich genervt, weil ich dachte, er wolle mich um Geld bitten, oder sogar irgendwohin mitgenommen werden. Also habe ich das Fenster runtergekurbelt und gesagt: ›Ja? Kann ich Ihnen helfen?‹ Mit starkem ausländischem Akzent und zwischen fehlenden oder stark vergilbten Zähnen hindurch hat er zu mir gesagt: ›Sie haben den schönesten Hinteren im Park‹«, sage ich und versuche, seinen Akzent nachzuahmen.
    »Wie ekelhaft«, verkündet Liz. »Warst du denn nicht beleidigt?«
    »Das ist sexuelle Belästigung«, sagt CJ.
    »Macht ihr Witze?«, entgegne ich. »Auf den Mann lasse ich nichts kommen. Er ist der erste Mensch seit Jahren, der mit mir geflirtet hat. Das hat mir die ganze Woche versüßt.«
    »Wie ich sehe, steht Würde im Moment nicht besonders hoch auf deiner Liste angestrebter persönlicher Attribute«, bemerkt Ereka scherzhaft.
    »Willkommen in meiner Welt«, sage ich. »Wenn es um männliche Wertschätzung meines Körpers geht, nehme ich schamlos alles an, was mir geboten wird.«
    »Ja, ich würde auch nehmen, was ich kriegen kann«, ruft CJ dazwischen.
    »Würde, Mädels, vor allem anderen Würde«, näselt Liz gedehnt.
    Sehen wir den Tatsachen ins Auge – die frischen, fleischigen Körper, die wir einst besaßen, sind heutzutage nur noch mit aufgetautem Hackfleisch zu vergleichen. Aber ich tröste mich damit, dass man aus aufgetautem Hackfleisch immer noch eine köstliche Bolognese zaubern kann, die sogar sehr gut schmeckt, wenn man sie mit einem Schuss Rotwein und etwas wohlplaziertem Basilikum aufpeppt. Ab einem gewissen Punkt muss man eben mit dem arbeiten, was man hat.
    Und trotz meiner Scherze über fremde alte Männer leide ich gerade jetzt, sofern ich mir das wirklich eingestehen kann, unter Anrufneid. Tams Gute-Nacht-Telefonat hat einen blinden Passagier an Bord meiner Frotzelei aufgedeckt: dass meine Kinder schon schlafen gegangen sind, ohne dass ich ihnen gesagt habe: »Ich habe dich lieb.« Habe ich gesagt »Ich habe dich lieb«, bevor ich heute Nachmittag hastig aufgebrochen bin? Ich weiß es nicht mehr. Meine Kinder und ich sind ganz groß in Liebeserklärungen, je übertriebener und lächerlicher, umso besser. »Ich liebe dich bis auf den höchsten Berg«, sagt Jamie. »Und ich liebe dich bis runter zu den Meerjungfrauen«, erwidert Aaron. »Ich liebe dich bis zu den Galaxien, den fernsten Sternen und dem weitesten Punkt im Universum«, behauptet Jamie. »Aber ich liebe Mami noch mehr«, wetteifert Aaron. »Nein, tust du nicht«, gibt Jamie zurück, woraufhin gegenseitige Beschimpfungen hin und her fliegen und niemand niemanden mehr lieb hat.
    Ich kann die abergläubische Furcht nicht abschütteln, dass ich vielleicht in meiner Hast, meinen Kindern zu entrinnen, heute eine Kette von »Ich-habe-dich-Liebs« unterbrochen habe, die wir so liebevoll geknüpft haben. Ich brauche eine Ablenkung, also ziehe ich den Kleinen Hasen, eines von Aarons Lieblingskuscheltieren, aus meiner Handtasche und beginne, den linken Fuß mit Nadel und Faden anzunähen, die ich neben dem Pendel in meiner Mütter-Überlebens-Ausstattung mitführe. Der Kleine Hase ist ein schlaffes, knautschiges bisschen Stoff, gefüllt mit getrockneten Bohnen, dessen Fuß ausgefranst ist und der seit einer Weile eine schmale Bohnenspur durch unser Haus zog. Ich trage ihn schon seit Wochen in meiner Tasche herum, in Plastik eingewickelt, und warte auf einen Moment Zeit, um ihn zu reparieren. Er ist ein Stofftier, geschaffen nach Sam McBratneys Buch Weißt du eigentlich, wie lieb ich dich hab?, einer entzückenden Geschichte, in der der Kleine Hase dem Großen Hasen sagt, dass er ihn so lieb hat wie bis zum Mond. Worauf der Große Hase antwortet: »Ich habe dich lieb bis zum Mond – und zurück.«
    Das Buch und dieser Kleine Hase gehörten zu meinen ersten Käufen als werdende Mutter, als ich erst ein paar Wochen mit Jamie schwanger war. Mit Tränen der Rührung in den Augen und schier platzend vor Begeisterung verkündete ich dem kaugummikauenden Teenager mit dem Nasenpiercing an der Kasse des Buchladens: »Ich bin schwanger«, woraufhin sie nur mit den Schultern zuckte und fragte: »Zahlen Sie bar oder mit Karte?« Ich wollte die ganze Welt wissen lassen, dass ich meine Babys lieb haben würde. Und wie lieb ich sie habe. Frank schlägt oft vor, ich solle lieber ziehen, nicht so drücken: »Du sollst sie erziehen, nicht ersticken«, ermahnt er mich oft. Aber ich kann nicht

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