Weiberabend: Roman (German Edition)
darauffolgenden Wochen zeigte sich Aaron sehr kooperativ – er bekam Koliken. Dann kam er mir mit Husten und Mittelohrentzündung entgegen. Laktose-Intoleranz. Als Nächstes mussten ihm Paukenröhrchen eingesetzt werden. Bedauerlicherweise war danach Schluss mit den Mittelohrentzündungen. Die Wartezeit zwischen den Impfungen dehnte sich ins Unendliche. Aber ich konnte mich darauf verlassen, dass eine unerklärlich erhöhte Temperatur, Durchfall oder ein paar Mückenstiche früher oder später einen weiteren Besuch bei dem Kinderarzt rechtfertigen würden. Begierig schloss ich mich den anderen jungen Müttern im Wartezimmer an, nachdem ich mir übertrieben viel Mühe mit meinem Make-up gegeben hatte, um die dunklen Ringe unter meinen Augen zu kaschieren. Ich trug zum ersten Mal seit fünf Wochen frische, saubere Kleidung. Und da warteten wir dann alle, und jede von uns glaubte, irgendwie etwas Besonderes zu sein. Wenn ich endlich an die Reihe kam, betörte ich den Arzt mit meinem Augenaufschlag, schenkte ihm mein schönstes Lächeln und flirtete schamlos mit ihm, und ich ließ mich auch nicht von der Kleinigkeit irritieren, wie man mit frischer Kinderkotze auf der Schulter rasend attraktiv sein sollte.
Doch bedauerlicherweise besteht die Welt nicht nur aus Kinderärzten. Sie besteht aus ganz normalen, gestressten Leuten, die es eilig haben, und von denen wir nur hoffen können, dass sie das Chaos unserer Kindererziehung gnädig übersehen werden, statt uns zu verurteilen oder beim DOCS anzuschwärzen. Zeig mir eine Mutter, die noch nie ein Dankgebet gesprochen hat für den Segen einer geschlossenen Tür, hinter der sie zusammenbrechen und schreien, endlich mal weinen oder in hysterisches Lachen ausbrechen kann.
Tam kommt wieder herein. »Entschuldigung«, sagt sie verlegen. »Ich musste nur meinen Jungs gute Nacht sagen – sie konnten nicht einschlafen, ohne meine Stimme zu hören.«
Wir alle lächeln. Und fachen insgeheim die Glut unserer stummen Verurteilung an.
14 Würde, vor allem anderen Würde
T am verzieht sich in die Küche, um die Schokolade zu schmelzen. Unser allzu hastig aufgesetztes Lächeln und unsere angeregte Unterhaltung über die Sonderangebote bei verschiedenen Discountern waren verräterisch und mussten ihr sagen, dass wir über sie gelästert hatten. Doch sie eilte an uns vorbei und tat so, als berühre sie das gar nicht. Sobald Tam ihr Dessert zubereitet und damit ihre Pflichten erfüllt hat, kann sie gehen, worauf sie seit den Pfannkuchen abzielt. Ich habe meinen vollen Bauch auf dem Sofa im Wohnzimmer ausgestreckt und höre sie nun in der Küche herumklappern.
Helen sagt, sie wolle mal in die Küche gehen und nachsehen, ob sie Tam helfen könne. Doch in Wahrheit ist das eine Friedensmission – wie viel Hilfe kann man denn dabei brauchen, Schokolade zu schmelzen und sie über gefrorene Beeren zu gießen?
Ich gestehe, dass ich kein großer Fan von gefrorenen Beeren bin. Sie schmecken nach überhaupt nichts, und wenn man nicht weiß, was man isst, könnten es ebenso gut gefrorene Erbsen sein, denn die Geschmacksknospen erkennen da keinen Unterschied. Gefrorenes Essen berührt mich einfach nicht. Ich meine, ich bin ja wirklich dankbar dafür, dass ich im einundzwanzigsten Jahrhundert lebe und mir solche mütterfreundlichen Erfindungen wie Gefrierschränke, Wäschetrockner und Spülmaschinen zur Verfügung stehen. Aber die Vorstellung, gefrorene Beeren zu essen, ist – ähnlich wie ein Dreier im Bett oder ein Picknick am Strand – viel angenehmer als die Erfahrung selbst. Geschmack ist dicht an der Lebenskraft angesiedelt. Wenn ihm erst Styropor, Plastikfolie und Mikrowellen mit ihrer ganzen Bösartigkeit zugesetzt haben, ist er ziemlich matt und erschöpft, und es bleibt nur noch ein schwacher Glimmer der einstigen Pracht – ähnlich wie bei unseren Körpern nach soundso vielen mütterlichen Jahren. Ein Jammer, dass wir unsere Vorschwangerschafts-Körper nicht einfrieren und uns fürs Kinderkriegen einen anderen Körper ausleihen können.
»Was macht der schönste Hinteren im Park?«, fragt Helen und zwickt mich auf dem Weg zu Tam in den Po.
»Noch in vollem Umfang vorhanden«, sage ich lachend.
»Helen hat ein Faible für deinen Hintern?«, fragt CJ.
»Nein, sie doch nicht. So ein alter Kerl«, zwitschere ich. »Letzte Woche bin ich eine Runde um den Centennial Park gelaufen und gerade ins Auto eingestiegen, als ein alter Mann an mein Fenster geklopft hat. Ich hatte es furchtbar
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