der
Ausdruck in ihren Gesichtern reichte von Interesse bis zu der
plötzlichen Erkenntnis, dass es besser gewesen wäre, vor dem Posieren
aufs Klo zu gehen.
Und auf einem Stuhl vor der Gruppe, im Mittelpunkt, saß
Hauptfeldwebel Jackrum und strahlte wie die Sonne.
Pol y machte große Augen und drehte das Bild dann um. Auf der
Rückseite stand in schwarzen Buchstaben: »HFW Jackrums letzter
verzweifelter Kampf!« Und darunter: »Das brauche ich nicht mehr.«
Sie lächelte und strich das Stroh beiseite. In der Mitte der Kiste, in
Tuch gehüllt, lagen zwei Entermesser.
»Ist das der alte Jackrum?«, fragte Knaller und nahm das Bild.
»Ja, er hat seinen Sohn gefunden«, antwortete Pol y und wickelte eine
Klinge aus. Knaller schauderte, als sie das große Messer sah.
»Grässliche Dinger«, sagte sie.
»Zumindest Dinger«, sagte Pol y. Sie legte beide Entermesser auf den
Tisch und wol te die Kiste schon beiseite stel en, als sie einen kleinen
Gegenstand darin bemerkte, rechteckig und in dünnes Leder gehül t.
Es war ein Notizbuch, mit einfachem Einband und muffigen gelben
Seiten.
»Was ist das?«, fragte Knaller.
»Ich glaube… ja, es ist sein Adressbuch«, sagte Polly und blätterte.
Das ist es, dachte sie. Hier steht al es. Generäle, Majore, Hauptleute.
Meine Güte. Es müssen Hunderte… sein. Vielleicht tausend! Namen,
echte Namen, Beförderungen, Datumsangaben… al es…
Pol y betrachtete eine rechteckige weiße Karte, die wie ein
Lesezeichen zwischen den Seiten steckte. Sie zeigte ein üppig verziertes
Wappen und trug folgende Aufschrift:
William De Worde
REDAKTEUR, DIE TIMES VON ANKH-MORPORK
» Die Wahrheit macht frech «
Schimmerstraße, Ankh-Morpork K-Mail:
[email protected] Jemand hatte das »ch« in »frech« durchgestrichen und »ei« darüber
geschrieben.
Plötzlich entstand eine Idee…
Auf wie viele verschiedene Arten kann man einen Krieg führen?,
fragte sich Pol y. Wir haben jetzt die Klacker. Ich kenne einen Mann,
der Dinge aufschreibt. Die Welt dreht sich. Mutige kleine Länder, die
Selbstbestimmung anstreben, könnten sich als nützlich erweisen für
große Länder mit eigenen Plänen.
Zeit, den Käse zu nehmen.
Pol y blickte an die Wand, und ihr Gesichtsausdruck hätte viele
wichtige Leute das Fürchten gelehrt. Sie wären noch besorgter gewesen,
wenn sie gewusst hätten, dass Polly die nächsten Stunden damit
verbrachte, Dinge aufzuschreiben. General Schnitz hatte es nicht mit
Dummheit dorthin geschafft, wo sie sich jetzt befand, und Pol y hielt es
für ratsam, ihrem Beispiel zu folgen. Sie schrieb das ganze Notizbuch
ab und verstaute die Unterlagen in einem alten Einmachglas, das sie
unterm Stal dach versteckte. Anschließend schrieb sie noch einige
Briefe, holte dann ihre Uniform hervor und inspizierte sie kritisch.
Die Uniformen für Pol y und die anderen hatten eine zusätzliche
Qualität, die man nur als… mädchenhaft bezeichnen konnte. Sie hatten
mehr Tressen, waren besser gearbeitet, und ein langer Rock mit
Gesäßrolle ersetzte die Hose. Federn schmückten die Tschakos. Pollys
Uniform war mit den Streifen eines Feldwebels verziert. Es war ein
Witz gewesen. Ein Feldwebel für Frauen. Ja, die Welt war auf den Kopf gestellt worden.
Maskottchen waren sie gewesen, Glücksbringer… Und beim Marsch
nach Prinz-Marmaduk-und-Pjotr-Albert-Hans-Josef-Bernhardt-
Wilhelmsberg hatten sie al e einen Witz gebraucht. Aber wenn man eine
Welt auf den Kopf stel t, kann man viel eicht auch einen Witz auf den
Kopf stel en. Danke, Zahnloser, auch wenn du nicht weißt, was du
mich gelehrt hast. Wenn sie über einen lachen, passen sie nicht auf.
Und wenn sie nicht aufpassen, kann man ihnen in die Weichteile treten.
Sie betrachtete sich im Spiegel. Ihr Haar war jetzt gerade lang genug,
um lästig zu sein, aber noch nicht lang genug, um attraktiv zu wirken.
Sie bürstete es und beließ es dabei. Dann zog sie die Uniform an – der
Rock kam über ihre Hose – und hatte dabei das seltsame Gefühl, sich
als Frau zu verkleiden.
Na bitte. Sie sah völlig harmlos aus. Mit den beiden Entermessern
und einer stählernen Armbrust auf dem Rücken sah sie etwas weniger
harmlos aus, vor allem wenn man wusste, dass die Mitte der
Pfeilscheibe im Wirtshaus tiefe Löcher von ihrem Übungsschießen
hatte.
Sie schlich durch den Flur zum Fenster, durch das man auf den Hof
des Gasthauses sehen konnte. Paul stand auf der Leiter und malte das
Schild neu. Pollys