Weibliche Lust ohne Tabus
Anthropologe und Autor, der sich unter anderem mit der Kulturgeschichte der Schambehaarung beschäftigte, musste das am eigenen Leib erfahren, als er versuchte, in einem Kaufhaus einen elektrischen Rasierapparat (fürs Gesicht) zu erstehen. Da legte ihm der Verkäufer mit verschwörerischer Miene ein Gerät auf den Tresen, das ein wenig wie ein schwerer Revolver aussah, und erklärte flüsternd, was Mann damit unten herum so alles anstellen könne. Aber im Gesicht rasiere das Gerät natürlich auch …! »Frauen achten auf solche Sachen«, erklärte er laut. Wenn ein Herr anfange, seine Intimpflege zu vernachlässigen, sei das ein Zeichen dafür, dass er sich sexuell entweder für unattraktiv halte oder in dieser Hinsicht nicht mehr aktiv sei.
Der Verkäufer verriet ihm, dass ein gepflegter »3-Tage-Bart« ihm auch am Allerwertesten dieses gewisse Macho-Image verleihen würde, auf das Frauen stehen. »Wie?«, fragte sich Barley. »Würde ich am Hintern dann so aussehen wie David Beckham im Gesicht?« Der Verkäufer beruhigte ihn: Es gäbe auch andere Möglichkeiten. Besonders jüngere Männer bevorzugten Schamhaarfrisuren wie »Chaplin-Bärtchen« und »Mohikaner«. Nachhaltig befremdet verließ der gestandene Kulturhistoriker das Kaufhaus. Ob er den Rasierapparat kaufte, entzieht sich unserer Kenntnis.
Belegt ist allerdings, dass die Intimbehaarung seit Menschengedenken eine kulturelle und soziale Rolle spielt. Während bei einigen Völkern die Körperbehaarung gerne als Geschlechtsmerkmal zur Schau gestellt wird, gilt in anderen Kulturkreisen der haarlose Körper als Ideal. Schon im alten Ägypten betrieben die Frauen großen Aufwand, um mit einem glatten, haarlosen Venushügel aufwarten zu können. In der muslimischen Kultur gilt die Entfernung der Intimbehaarung quasi als religiöses Muss, während asiatische Völker es unten herum gerne ungebändigt sprießen lassen. Das hat zwar auch den aktuellen Hintergrund, dass sich so bei aufreizenden Fotos und Pornofilmen ein haariger »Deckmantel« über die nackten Tatsachen von Schamlippen & Co. breiten lässt und damit zum Beispiel in China die Zensur umgangen werden kann. Andererseits gilt in asiatischen Ländern eine starke Intimbehaarung noch immer als starkes Symbol von Weiblichkeit und Fruchtbarkeit. In Japan lassen sich Frauen, die unten herum etwas weniger haben, sogar manchmal aus Kopfhaar gefertigte Schamhaartoupets anfertigen, die auch »Blumen der Nacht« genannt werden.
Die Indianer Nordamerikas rupften sich dagegen einst per Hand jedes einzelne Körperhaar aus, um diese Zeichen des Animalischen buchstäblich mit der Wurzel auszureißen, während sie keinerlei Hemmungen hatten, ihre Feinde bestialisch zu skalpieren und den Skalp ihren Frauen als Geschenk zu überreichen. Andersherum fertigten die Frauen der Dakota-Indianer ihren Männern und Brüdern Kleidungsstücke mit Fransen aus ihrem Schamhaar an, die sie im Kampf beschützen und den Feinden ihre Stärke und sexuelle Überlegenheit demonstrieren sollten.
Verstörende Wirkung hatte im 19. Jahrhundert das Gemälde »Der Ursprung der Welt« von Gustave Courbet. Es gab erstmals einen expliziten Einblick in den Intimbereich der Frau und zeigte die Schambehaarung so demonstrativ, dass es 1866 Skandale auslöste und bis heute kontrovers diskutiert wird. Das war auch die Zeit des berühmten Kunsthistorikers und Philosophen John Ruskin. Von ihm ist bekannt, dass ihn der Anblick seiner nackten Frau in der Hochzeitsnacht (vorher war es nicht erlaubt, sexuell miteinander zu verkehren oder Frauen unbekleidet zu sehen) inklusive der haarigen Tatsachen so sehr verstörte, dass er die Flucht ergriff. Die Ehe wurde schließlich annulliert. Der Frauenheld und Dichter Lord Byron, der zur selben Zeit lebte wie Ruskin, hatte damit offenbar weniger Probleme. In seinem Archiv finden sich zahlreiche vergilbte, mit Frauennamen in verblasster Tinte beschriftete Umschläge, die winzige – oft mit Schleifen verzierte – Haarlocken enthalten: Die Damen schickten sie ihm. Und nicht immer stammen sie offenbar von deren Haupthaar …
Dass in Zeiten des Nationalsozialismus die Frau eher als »Naturereignis« betrachtet wurde, zeigt sich nicht nur in verschiedenen Dokumentationen. Wohl darum musste Schauspielerin Kate Winslet übrigens für ihre Rolle als KZ-Aufseherin Hanna Schmitz im Film Der Vorleser ein Schamhaartoupet tragen. Auch die Blumenkinder der 68-er-Revolution standen nicht so sehr auf Intimrasuren wie die Frauen
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