Weichei: Roman (German Edition)
Schädel.
Aber ich ziehe es durch.
Euch zeig ich es.
Breitbeinig stelle ich mich nach dem getanen Werk vor mein Fenster und nicke selbstzufrieden. Wer ist hier der Boss?
Im nächsten Moment kommt die Erinnerung an den vergangenen Abend, und ich muss erkennen, dass ich nicht so wirklich der Boss bin.
Wie kann man nur so viel Pech haben? Welche dunklen Mächte haben sich nur gegen mich verschworen, dass ich ständig dermaßen in die Kacke greife?
Wahrscheinlich werde ich mich damit abfinden müssen, nie wieder Sex zu haben. Es soll einfach nicht sein. Ich bin ein Arbeitssuchender in Sachen Sex. Ich bin zwar gewillt und könnte, doch finde ich einfach keine offene Stelle, seit Steffi mich aus dem sicher geglaubten Arbeitsverhältnis fristlos gekündigt hat. Für nicht mehr wertvoll und effektiv erachtet. Ich und mein kleiner Freund wurden von der Gesellschaft aussortiert und nicht mehr benötigt. Und jetzt findet er nicht einmal mehr in einer Teilzeitbeschäftigung in einem Puff Verwendung. Die Wahrheit tut weh, aber ich muss ihr ins Auge sehen: Ich besitze einen Hartz-IV-Penis.
Zu allem Überfluss habe ich mir durch die nächtliche Aktion auch noch eine schöne Erkältung und einen Husten eingefangen. So sitze ich nun schniefend beim Tee an meinem Frühstückstisch und blättere in der Zeitung, um zu sehen, was die Welt heute wieder an Stolperfallen für mich aufgestellt
hat. Irgendwann muss es doch auch mal wieder aufwärtsgehen. Eines habe ich für mich jedoch entschieden: keine Privatschlampen oder Puffs mehr. Nie mehr. Das Feld soll Emile bestellen. Ich muss zu meinesgleichen.
Einzige Frage: Meinesgleichen – wer ist das überhaupt? Und wo lernt man diese Leute kennen? Frauen um die dreißig, die kein finanzielles Interesse an einem Treffen haben. Versager wie ich, die an solch einem Tag alleine sind und nach Gesellschaft lechzen. Gibt es so etwas überhaupt? Und schon auf der nächsten Seite der Tageszeitung bekomme ich die Antwort auf meine Frage.
Ja, das gibt es.
Es ist zwar kläglich, aber immerhin ein Lichtstreif am Horizont. Ich muss einfach raus. Koste es, was es wolle. Und selbst wenn es den eigenen Stolz kostet. Ich huste mich schnell noch ein wenig frei, nehme den Hörer zur Hand und wähle die Nummer unter dem Artikel, der mit einer Werbeanzeige des Unternehmens endet.
»Speed-Dating Rhein-Main. Mein Name ist Myriam Volkers, was kann ich für Sie tun?«
»Hallo, Süßemilch mein Name. Ich habe gerade den Artikel und Ihre Werbeanzeige gelesen und würde gerne mal zu solch einem Speed-Dating vorbeikommen.«
»Ja prima, gerne. Welcher Termin schwebt Ihnen denn vor? Dezember? Oder soll es im Januar sein?«
»Wie, Januar? Aber das ist doch nächstes Jahr.«
»Ja, wir sind da ziemlich ausgebucht.«
»Ich würde aber gerne heute Abend kommen. In dem Artikel steht doch was von heute.«
»Oh, Sie sind aber ein ganz Schneller.«
»Deswegen will ich ja auch zum Speed-Dating.«
»Wie bitte?«
»Ach nix. Also, wie sieht es aus? Geht das, oder muss ich erst als Single Weihnachten und Silvester feiern?«
»Sie haben unglaubliches Glück, Herr Süßemilch. Es hat tatsächlich gerade vorhin jemand für heute Abend abgesagt, und uns fehlt nun noch ein Mann. Wenn Sie also Lust haben und spontan sind, dann kommen Sie doch heute Abend um sieben ins Bastos. Kennen Sie die Bar? Ist in Bockenheim.«
»Nee, bisher noch nicht. Aber ich finde das. Kein Problem. Und danke.«
»Gerne, also bis dann.«
Das Telefonat wird beendet, und ich habe ein Date am Abend. Ach, was sage ich. Ich habe sieben Dates.
Eine bizarre Situation. Da sitze ich nun mit dreizehn Artgenossen in einer großen Runde und warte darauf, dass der Plumpssack in der Erwachsenenversion endlich beginnen möge. Wir, die Aussätzigen unserer Gesellschaft. Die Singles, die Versager, die sich im trüben Licht einer Hinterhofbar zu einer Art Selbsthilfegruppentreffen zusammengerottet haben, um die letzte Chance zu nutzen, doch noch irgendwie Anerkennung zu finden und in die Riege der vollwertigen Bürger zurückzukehren. Da sitzen wir nun, dreizehn sich wie Aussätzige fühlende Erwachsene und schauen verängstigt in der Bar umher. Eine der Frauen fehlt noch, soll aber noch dazustoßen. Wir werden also zu vierzehnt sein. Sieben Malaria-Single-Männer an sieben kleinen Tischen gegenüber von sieben Lepra-Single-Frauen, und wir warten auf den Startschuss, um in einem Sieben-Minuten-Rhythmus uns gegenseitig unser Leid zu klagen. Nur um darauf
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