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Weichei: Roman (German Edition)

Weichei: Roman (German Edition)

Titel: Weichei: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Boltz
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haben.
    Nachdem ich die Nutteninfanterie und das 1. Bataillon der fettschürzigen Ehemänner abgeschritten habe, bringt mir die Sonnengegerbte vom Empfang endlich ein Handtuch, mit dem ich mich sogleich bedecke und beschämt in einen Sessel im Eck sinken lasse.
    Nun wird mir auch klar, an wen sie mich erinnert.
    Sie ist das Abbild von Lin Shaye in ihrer Rolle als Magda in dem Hollywoodfilm Verrückt nach Mary . Genau. Die ältere Dame, die sich mit einem Aluhitzeschild auf den Balkon legt und brutzeln lässt. Alle anderen Herren legen derweil ihre Papiere vor.
    »Leck mich am Arsch«, sage ich zu mir selbst und überlege, ob eine Situation noch unangenehmer verlaufen kann.
    Ja, sie kann. Und das nur Sekunden später. Denn just in diesem Moment fällt mir ein, dass ich meinen Geldbeutel samt Papiere, auf Anraten von Emile, in seinem Auto gelassen und nur Bargeld mitgenommen habe. Mein Personalausweis befindet sich also noch im Fahrzeug auf dem Parkplatz.
    Ich gehe zu einem der uniformierten Kollegen, der mir am jüngsten erscheint und womöglich am meisten Verständnis für mich aufbringen kann. Bevor er mich ansieht, bleibt er an meinem prallen Segel hängen und versucht vergebens, sich ein Lachen zu verkneifen. Ich übergehe dies und stelle mich vor ihn.
    »Ähm, entschuldigen Sie, ich habe da ein Problem.«
    »Ja, das haben wir alle gesehen.« Der Beamte kichert und kann sich diesen unschönen Seitenhieb nicht verkneifen.
    »Ja, sehr witzig, aber das meine ich nicht. Meine Papiere befinden sich in einem Fahrzeug vor dem Gebäude. Dürfte ich die wohl holen?«
    Der Polizist bespricht sich kurz mit einem weiteren Kollegen, der aber auch nur ein verächtliches Lächeln für mich übrig hat, jedoch nickt.
    »Ich begleite Sie nach draußen«, sagt der junge Polizist schließlich. »Gehen Sie ruhig voran. Das ist mir sicherer.«
    Witzig. Vielen Dank auch. Ich gehe nach draußen, noch immer nur in das Handtuch gehüllt. Zu meinem Glück sind außer ein paar lachenden Taxifahrern sonst keine weiteren Leute zu sehen. Doch damit verabschiedet sich mein Glück auch schon ins Wochenende. Denn in diesem Moment breitet das Schicksal seinen bunten Fächer der Überraschungen in all seiner Farbenpracht über mir aus und beweist mir, diesen auch humorlos einzusetzen.
    Das Auto samt Emile ist weg.
    Ich stehe mitten in der Nacht mit nackten Füßen, einem kleinen Handtuch und einer viel zu großen Erektion auf einem schlecht beleuchteten Parkplatz und schaue in die Augen eines Polizisten, dessen Blick ein Versprechen verheißt, das für mich nach einer Nacht auf der Wache aussieht.
    Emile, diese alte Knalltüte aus dem Kosovo. Wahrscheinlich
ist er damals illegal eingereist und hat sich mitsamt meinen Papieren nun aus dem Staub gemacht. Ich glaube sogar, seine Stimme im Dunkel zu hören: »Sorry, Kollege. Spielabbruch wegen Unbespielbarkeit des Platzes.«

11
Das KLINGELING-Speed-Dating
    D er nächste Tag beginnt, wie der letzte aufgehört hat. Mit Kopfschmerzen und einer Erektion, die so hart ist, dass Fabian Hambüchen seine Olympiakür daran turnen könnte. Wenigstens musste ich die Nacht nicht auf der Wache verbringen. Der junge Polizist fuhr mich netterweise zur Tankstelle, wo ich immer einen Zweitschlüssel deponiert habe. Meine Kollegin der Nachtschicht konnte sich nach dem ersten Überraschungsmoment kaum noch einkriegen und wird mich sicherlich dafür noch die nächsten zwei Jahre aufziehen. Danach fuhr mich der Polizist nach Hause, und ich konnte ihn von der Echtheit meines Daseins überzeugen. Da nichts weiter gegen mich vorlag, kam ich mit einer Ermahnung und einem Haufen dummer Sprüche davon.
    Ich tue etwas, was ich sonst nie tue und meine verzweifelte Lage besser widerspiegelt als irgendwas anderes. Ich mache mir eine Kanne Tee.
    Dann erkenne ich zu meinem Erstaunen, dass sich der Ameisenbefall doch beharrlicher zeigt als zunächst gedacht. Ganz schön hartnäckig, die Biester, das muss ich schon zugeben. Eine ganze Armee von den Tierchen hat diesmal mein Fensterbrett in der Küche erobert und annektiert. Das Seltsame daran wie auch jedes Mal zuvor: Sie sind anscheinend tot, bewegen sich nicht und wirken dadurch wie ein stummes Aktionskunstwerk aus Madam Tussauds Wachsfigurenkabinett.
Ich nenne es die Terrakottaarmee der Insekten, hole erneut meinen Staubsauger und sauge das Kunstwerk mit einem lauten Wusch in den Schlund des Staubsaugerbeutels. Nur dröhnt der Lärm des Staubsaugers unerbittlich in meinem

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