Weichei: Roman (German Edition)
Stimme, lass uns mal telefonieren.«
Fast routinemäßig wechsele ich wieder mit Kerstin einen kurzen Blick. Augenrollen, Lächeln, alles im grünen Bereich.
Die nächsten drei Runden laufen besser als die letzten beiden, aber deutlich schlechter als die erste mit Kerstin. Dann ertönt das letzte Glöcklein.
KLINGELING
Ich setze mich hin und… Wow! Eine super attraktive Brünette sitzt mir im Halbschatten lasziv gegenüber und deutet mir mit einem Augenaufschlag an, doch bitte Platz zu nehmen. Das muss die verspätet aufgetauchte Frau sein. Noch bevor mein Hintern den Stuhl berührt, kreuze ich im Geiste meinen Zettel mit Ja an und zerreiße alle anderen. Auch den mit Kerstin. Okay, sie war nett, aber das hier ist ein Volltreffer. Eine zwölf auf der Skala von eins bis zehn. Eine Meerjungfrau
in diesem Goldfischglas. Eine Geheilte unter den Aussätzigen.
»Angenehm, mein Name ist Justine.«
Sie reicht mir höflich die Hand, und ich überlege mir, ob ein Handkuss angebracht wäre, merke dann jedoch, dass auch sie einen kräftigen Händedruck bevorzugt, und lächle sie schüchtern an. Mein Mund trocknet binnen Sekunden zu einer Salzwüste aus, und ich kann ihr kaum antworten. Allein der Name: Justine, ein französisches Versprechen auf Leidenschaft, Liebe und Leben.
»Robert. Hallo, Justine.«
Ich musste den Namen einfach noch mal wiederholen. Ihn nur einmal aussprechen, um ihr damit wenigstens verbal nah sein zu dürfen. Ein Zungenkuss der Phonetik.
»Und, wie läuft es bisher bei dir, Robert?« »Gut. Nette Leute hier…« Ich glaube selbst nicht, was ich da sage, und auch Justine verengt im Schatteneck skeptisch ihre Augen. »Scheiße, nein, es ist ein Fiasko. Fast alle haben hier einen Dachschaden und würden für ein wenig Aufmerksamkeit fast alles tun.«
Justines Augen hellen sich wieder auf. Die Wahrheit war wohl der richtige Weg.
»Himmel, ja. Ich dachte schon, ich wäre die Einzige hier, die so denkt. Aber auch diese Leute haben das Recht auf ein wenig Glück.«
»Ja, schon, aber halt nicht mit mir.«
Justine und ich plaudern die Minuten locker weg, und ich habe ein extrem gutes Gefühl, ein Kreuzchen von ihr zu bekommen. Dann erklingt das Glöcklein und beendet unsere aufkeimende Liebe.
»Oh, das ging schnell«, sagt sie, »war echt nett, mal mit einem normaleren Mann zu sprechen. Hier, ich gebe dir meine
Karte wie den anderen auch. Aber bei dir würde ich mich tatsächlich freuen, wenn wir uns treffen würden.«
»Wie denn, kein Kreuzchen?« Ich lächle und finde es klasse, dass sie mir direkt ihre Karte gibt.
»Nein, ich mache das nicht mit den Kreuzchen.«
»Ich auch nicht«, antworte ich überschwänglich, zerreiße den Zettel vor ihren Augen als eine Art Liebesbeweis und entsorge ihn in einem Mülleimer. Was soll er mir auch schon bringen? Ich halte die Karte von Justine in meinen Händen.
Leider sieht Kerstin, wie ich den Zettel zerreiße, und wendet sich wieder ihrem letzten Gesprächspartner zu. Dem Attraktiven. Tja, mein Freund, die Goldmedaille geht in dieser Disziplin aber an mich. Auf dem Silberrang ist es aber bestimmt auch ganz nett.
Justine entschuldigt sich kurz und geht in Richtung Toilette. Ich schaue ihr nach. Sie ist größer, als ich dachte, eine wahre Amazone.
»Willst du keinen Zettel abgeben?«
»Was?« Überrascht drehe ich mich um und sehe Myriam vor mir.
»Nein«, antworte ich, »aber danke.«
»Okay«, sagt Myriam, zuckt die Achseln und sammelt die restlichen Zettel ein. Justine kommt zurück und verabschiedet sich von mir mit Küsschen auf beide Wangen.
»Melde dich, wenn du magst, Robert.«
»Mache ich. Ganz bestimmt.«
Justine nimmt ihren Mantel und geht zum Ausgang. Ich möchte den Moment des Sieges noch ein wenig auskosten und bade in den Blicken der anderen, die mich alle überrascht ansehen. Ja, schaut nur her, ihr Versager. Ich habe sie bekommen. Der Schönling von Kerstin kommt ebenfalls gerade von der Toilette zurück und lächelt mir zu. Das ist meine Chance,
den Gipfel des Erfolgs zu besteigen. Ich erwidere sein Lächeln und nicke ihm zu.
»Na, wie war es bei dir?«, frage ich.
»Na ja, anfänglich nicht so gut. Aber ganz am Ende habe ich dann Kerstin kennengelernt. Ich denke, das könnte passen. Sie ist echt das Goldstück unter den Anwesenden gewesen.«
»Ja, waren schon einige schräge Vögel dabei.«
»Das kann man wohl sagen.«
Der Schönling lacht. Noch. Langsam und genüsslich werde ich den Todesstoß vorbereiten.
»Hat die eine
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