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Weichei: Roman (German Edition)

Weichei: Roman (German Edition)

Titel: Weichei: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Boltz
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zusammen.
    »Du, Kerstin, vielleicht sollten wir mal …«
    KLINGELING
    Das verdammte Glöckchen nervt mich jetzt schon. Das ist doch absoluter Schwachsinn.
    »Na dann, Robert. Machen wir mal unsere Kreuzchen.«
    »Ja, machen wir. War sehr nett, Kerstin.«
    Noch ein letztes Lächeln, und ich rücke weiter. Das Kreuzchen habe ich schon mal sicher. Und eigentlich will ich gar nicht mehr weiterrücken. Kerstin würde mir genügen. Eine
nette Affäre mit einer netten Frau. Schnell setze ich hinter den Namen KERSTIN ein dickes Kreuz in das Ja-Kästchen.
    KLINGELING
    Ist ja gut, ich sitz ja schon. Vor mir ein Tisch mit einer aufgetakelten Rothaarigen mit zu viel Schminke und zu wenig Beinfreiheit. Denn kaum sitze ich am Tisch, habe ich schon einen Fuß zwischen meinen Beinen.
    »Hallo …« Sie versucht, Erotik zu hauchen, doch bei mir kommt nur eine dünne Zigarettenfahne mit Balkanakzent an. »Bist du einsam?«
    »Wer, ich?« Ich rutsche auf meinem Stuhl zurück und versuche, ihr mit meinen Beinen zu entfliehen. Es entsteht unterhalb der Tischplatte ein wildes Gewühle von Beinwirrwarr. Zwei schwarze Strumpfhosenbeine jagen dabei meine auf der Flucht befindlichen Levisstelzen. Binnen Sekunden entsteht ein gordischer Knoten der Liebesflucht.
    »Na klar du. Ich bin es auch, bin eine Frau mit Feuer und weiß, was ich will. Meine Familie gehört seit Generationen zum fahrenden Volk in Rumänien. Deswegen brauche ich auch im privaten Leben immer Abwechslung und Neues. Verstehst du?«
    O ja, ich versteh dich ziemlich gut. Du bist eine notgeile Zigeunerin, die für heute Abend einen Begatter sucht und mir daher wie ein rolliger Border-Collie ans Bein will.
    Anstatt ihr aber genau das zu sagen, bringe ich nur ein klägliches »Aha« hervor. Ich bin zwar auch auf der Suche nach einem Abenteuer, aber nicht mit dieser Person.
    »Ich bin heiß.«
    Warum klingelt dieses verdammte Glöckchen denn nicht, wenn man es braucht?
    »Lass uns von hier verschwinden und zu dir nach Hause gehen, mein starker, deutscher Mann.«
    Ja klar, damit mir deine vierzehn Brüder und die restliche Verwandtschaft hinter dem Rücken die Bude ausräumen.
    KLINGELING
    Na endlich. Ich hatte mir aus lauter Verzweiflung aus vier Hanutapapieren schon drei Hütchen und ein Kügelchen gebastelt und gehofft, dass ich mit dem Hütchenspiel vielleicht einen Schlüsselreiz bei ihr ansprechen würde.
    »Schönen Abend noch.«
    Noch am Tisch mache ich das Kreuzchen bei Nein. Und zwar so, dass sie es auch mitbekommt. Bloß keine Hoffnungen schüren. Wehmütig sehe ich zu Kerstin hinüber, die gerade einen der beiden hoffnungslosen Fälle verabschiedet. Unsere Blicke treffen sich, und sie verdreht ihre Augen. Ihr schien es also auch nicht besser ergangen zu sein. Sehr gut, das lässt meine Chancen weiter wachsen.
    KLINGELING
    Vorsichtig sondiere ich die Frau am nächsten Tisch. Blonde Haare, Brille, Pagenschnitt, Rollkragenpullover. Definitiv keine Zigeunerin oder wie es politisch korrekt jetzt heißt: Rotationseuropäerin.
    »Ich bin der Robert«, trete ich die Flucht nach vorn an. Was soll jetzt schon noch schlimmer werden. »Und wie heißt du?«
    Nichts.
    Zunächst denke ich, dass sie mich vielleicht nicht richtig verstanden hat. Und wiederhole meinen Namen noch einmal.
    »Robert. Hi. Und wer bist du?«
    Stille.
    Sie schaut schweigend an mir vorbei, dann senkt sie den Blick unter den Tisch, wo in diesem Moment auch mein Selbstvertrauen landet. Stinke ich? Kenne ich sie von früher aus der Schule und habe sie gehänselt?
    »Tut mir leid, wenn ich irgendwas Falsches gesagt habe.«
    Nix.
    Ich entscheide mich dafür, sie nicht weiter zu belästigen, und nehme die Position des stillen Beobachters ein. Ganz neutral. Ja, man könnte sagen, ich bin wie die Schweiz, nur mit messbarem Puls und Hanutageschmack im Mund. Stumm sitzen wir uns gegenüber und versuchen, uns dabei nicht anzusehen. Außer zwei kurzen Ausrutschern gelingt mir das ganz hervorragend: Einmal nehme ich mir auch noch das letzte Hanuta vom Tisch, das in der Tischzone mehr auf ihrer, der schweigenden Seite liegt und schaue sie kurz an, um zu sehen, ob sie vielleicht doch Anspruch darauf erheben möchte. Aber sie nimmt keine Notiz von mir, der personifizierten Schweiz, oder auch nur irgendetwas anderem. Den zweiten Blick riskiere ich beim Ertönen des Glöckchens, als ich ihr beim Aufstehen direkt in die Augen schaue und mir einen letzten, bissigen Kommentar nicht verkneifen kann.
    »Du hast eine zauberhafte

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