Weichei: Roman (German Edition)
befinde mich auf dem Weg in die Narrenhochburg Zentraldeutschlands: Mainz.
Zwar bin ich weit davon entfernt, ein Fastnachtsnarr zu sein, doch heute bin ich dankbar dafür, dass es in der unmittelbaren Nachbarschaft von Frankfurt diese verstrahlten Schwellköppe gibt. Sie sind meine letzte Hoffnung. Sie und ganz besonders einer: Kostümverleiher Karl-Heinz Kowalski, genannt »Lumpen-Charly«. Das sagt zumindest das Internet.
Doch leider will dort niemand meinen Anruf entgegennehmen. Also fahre ich die paar Kilometer über den Rhein und stehe wenig später vor dem Geschäft, das in den Schaufenstern mit einem Biene-Maja-Kostüm sowie einem Ganzkörper-Toiletten-Anzug seine Kunden in den Laden zu locken sucht. Beim Betreten überlege ich mir noch, wie so ein Geschäft das restliche Jahr überleben kann, wenn nicht gerade »dat Trömmelsche jehd«, wobei ich das hier in Mainz wohl nicht laut sagen darf. Der Laden selbst besticht durch Old-School-Einrichtung und vor allem Old-School-Verkäufer.
»Wie kann ich Ihnen helfen?«, fragt mich ein Mann mit
Vollbart und dicker schwarzer Hornbrille. Ich bin zunächst nicht sicher, ob es eine Maske ist, die den Kunden vorgeführt werden soll, und schaue dem Mann daher leicht kritisch in die Augen.
»Uniform. Ich brauch eine Uniform.«
»Verstehe.«
Irgendwie schaut mich der Typ so herablassend an. Da muss man nachhaken.
»Ich brauch eine für private Zwecke.«
»Ist klar. Wieder so einer.«
Erneut bin ich über seine Antwort irritiert, und als er seine Hornbrille kurz absetzt, weiß ich, dass er diese auch das restliche Jahr auf seiner Nase spazieren trägt.
»Was meinen Sie damit?«
»Ach nix. Aber so Leute wie ihr nehmt den echten Narren doch die ganzen Kostüme weg.«
»Leute wie ich?«, wundere ich mich. »Ich brauche doch nur eine Uniform.«
»Ist schon in Ordnung. Also, mein lieber guter Mann, wir haben hier einen Haufen Uniformen. Soldat, Polizist, Feuerwehr, Arzt …«
»Haben Sie Kapitänsuniformen?«
»Zur See, zur Luft, Ausgehuniform?«
Du lieber Himmel, das hatte ich mir einfacher vorgestellt. Wusste ja nicht, dass man erst drei Semester Uniformologie studiert haben muss, um hier was auszuleihen.
»Eine blaue Pilotenuniform. Aus dem zivilen Luftverkehr. So wie ein Pilot von der Lufthansa sie trägt.«
»Oh, da muss ich schauen.« Der Mann dreht ab und verschwindet in den Tiefen der Kostümwelt. Nach ein paar Minuten kommt er mit leeren Händen zurück.
»Ne«, er schüttelt den Kopf, »alles verliehen.«
»Was? Aber wir haben November. Da kann doch unmöglich alles verliehen sein.«
»Haben Sie mal auf den Kalender geschaut? Der 11.11. ist vor ein paar Tagen gewesen, und wir haben ab jetzt volles Programm bis Aschermittwoch.«
Verdammt, das hatte ich nicht bedacht. Die Bekloppten-Zeit hat bereits ihre kalte Hand ausgestreckt und meine Chance auf eine Uniform minimiert.
»Ja, aber ich brauch die Uniform, und zwar heute.«
»Tut mir leid, die letzte haben wir gestern an einen Kollegen von Ihnen verliehen.«
Einen Kollegen von mir? Von der Tankstelle? Was will Emile denn mit einer Pilotenuniform? Und woher kennt der Mann mich?
»An einen Kollegen von mir? An was für einen Kollegen?«
»Na, auch so einer wie sie. So ein Stripper.«
»Stripper? Ich?« Jetzt verstehe ich. Räuber Hotzenplotz denkt, dass ich die Uniform für einen Auftritt als Stripper benötige. »Nein, da haben Sie mich falsch verstanden. Ich bin kein Stripper. Aber ich brauch diese verdammte Uniform.«
Ich schildere stichpunktartig meine Situation. Ich bin verzweifelt, und dieser Mann ist meine letzte Hoffnung, um auf dem Highway der Promiskuität weiterfahren zu können.
»Wer gackert, sollte auch Eier legen können.« Der Mann lacht beherzt und schüttelt dann sein bärtiges Gesicht. »Passen Sie auf, ich mach Ihnen einen Vorschlag. Ich habe noch ’ne kaputte Uniform hinten im Lager. Der Reißverschluss ist kaputt, und es ist ’ne weiße Schiffskapitänuniform. Die können Sie haben. Und wenn die Kleine doch ohnehin keine Ahnung hat vom Fliegen, wird das schon klappen. Ist doch egal, ob blau oder weiß. Sie holt Sie ab, Sie ziehen sich zu Hause um, und danach gehen Sie mit der Dame lecker was essen.«
»Na ja, es bleibt mir wohl nix anderes mehr übrig. Ist echt nett von Ihnen. Was kriegen Sie denn dafür?«
»Lassen Sie stecken. Sie brauchen mir nichts dafür zu geben, aber ich will wissen, wie die Sache gelaufen ist. Wenn ich das meiner Frau erzähl, schmeißt sie
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